Zum ersten Jahrestag der fremdenfeindlichen "Pegida"-Kundgebungen wächst die Sorge vor weiterer Radikalisierung und zunehmender Gewalt. In einer gemeinsamen Erklärung mahnten Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sowie der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am Sonntag in Dresden, nötig sei "Dialog statt Hetze". Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) machte am Wochenende die "Pegida"-Bewegung und ihre Mitläufer für Brandanschläge auf Flüchtlingsheime mitverantwortlich. Verstärkt wurden die Sorgen durch das mutmaßlich fremdenfeindlich motivierte Attentat auf die Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt, Henriette Reker.
Die fremdenfeindliche "Pegida"-Bewegung war am 20. Oktober 2014 in Dresden erstmals auf die Straße gegangen. Für den Jahrestag an diesem Montag war von den Ordnungsbehörden kein "Abendspaziergang" genehmigt worden, sondern nur eine stationäre Kundgebung. Verbände und Initiativen wollen mit einem Sternmarsch gegen "Pegida" protestieren. Dazu werden mindestens 5.000 Teilnehmer erwartet.
Rund 9.000 Menschen hatten am vergangenen Montag an der "Pegida"-Kundgebung in die Dresdner Innenstadt teilgenommen. Für Entsetzen sorgte dabei eine Galgen-Attrappe, an der Pappschilder mit den Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hingen. Die Dresdner Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen unter anderem wegen Störung des Öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, wegen Aufforderung zu Straftaten und wegen Volksverhetzung auf.
Laut der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe) stammt die Galgen-Attrappe von einem 39-jährigen Werkzeughändler aus dem Erzgebirge. Der Mann habe zugegeben, den Galgen in seiner eigenen Werkstatt gebaut zu haben. Die Polizei habe sich bisher nicht bei ihm gemeldet.
Bundesjustizminister Maas sagte der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe), wer Galgen baue und Menschen daran baumeln sehen wolle, setze Hemmschwellen herab. "Niemand, der da mitläuft, kann sich von der Verantwortung frei machen für die Taten, die diese Hetze inspiriert, für brennende Heime oder verletzte Flüchtlingshelfer."
"Jeder muss sich genau anschauen, an welchen Demonstrationen er sich beteiligt"
Sachsens Ministerpräsident Tillich und Wirtschaftsminister Dulig gingen in ihrer Erklärung vom Sonntag nicht direkt auf die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" ein. Sie betonten aber, zu erleben sei eine zunehmende Radikalisierung gegen Flüchtlinge, Asylbewerber, Helfer, Journalisten und Politiker. Gewalttätige Übergriffe würden jedoch nicht geduldet. "Jeder muss sich genau anschauen, an welchen Demonstrationen er sich beteiligt. Er teilt dadurch die Auffassungen und Äußerungen der Anmelder dieser Demonstrationen", mahnten Tillich und Dulig.
Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) rief zu Gewaltlosigkeit bei den Versammlungen am Montag im Dresdner Stadtgebiet auf. Auch wenn unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallten, dürfe es nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen.
Nach Ansicht des Geschäftsführers der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank, hat "Pegida" im zurückliegenden Jahr rassistische Gewalt befeuert und rechtspopulistisches Gedankengut weit über Sachsen hoffähig gemacht. Der Erfolg der Bewegung beruhe auf "einer Mischung aus Rassismus, Verschwörungsideologien und Anti-Establishment-Rhetorik". Dabei seien neben "klassischen rechtspopulistischen auch immer wieder rechtsextreme Versatzstücke" sichtbar geworden.