Berlin (epd)Die Koalition ringt weiter um die Einrichtung von grenznahen Transitzonen für Flüchtlinge. In der Kabinettsitzung am Mittwoch ist dazu noch keine Entscheidung gefallen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte im Anschluss in Berlin, die Diskussionen gingen weiter. Die SPD lehnt die Zentren für Asyl-Schnellverfahren bislang ab. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warf dem Koalitionspartner überzogene Kritik vor. "Wir sollten alle verbal etwas abrüsten", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Darstellung, es gehe um Hafteinrichtungen für Zehntausende, entspreche nicht seinem Vorschlag.
"Wir sollten darüber in Ruhe verhandeln", sagte de Maizière. Er betonte, dass das sogenannte Landgrenzen-Verfahren nur in bestimmten Fällen Anwendung finden soll. "Das gilt zum Beispiel, wenn ein Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland kommt, wenn jemand falsche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht oder ein Reisedokument mutwillig vernichtet hat", erklärte der CDU-Politiker.
"Gefahr verheerender Fehlentscheidungen"
Für diese Gruppe werde das Verfahren erheblich beschleunigt. "Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder und die Kommunen würden entlastet", argumentierte der Innenminister: "Wenn uns das europäische Recht eine solche Möglichkeit gibt, dann sollten wir das nutzen." Über Details, wie die Zentren aussehen und wo sie stehen sollen, wollte er sich noch nicht äußern.
Die Kritik an den Plänen reißt nicht ab. Pro Asyl erklärte, man könne nicht innerhalb weniger Stunden darüber urteilen, ob es offensichtlich ist, dass jemand abgelehnt werden muss. Dies habe mit rechtsstaatlichen Verfahren wenig zu tun und berge die Gefahr verheerender Fehlentscheidungen, wenn etwa Verfolgte zurückgeschickt werden. "Dieses Eilverfahren führt zu einer extremen Gefährdung von Menschenleben", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt im Deutschlandfunk.
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen sprachen sich dagegen für die Zentren aus. "Sie sind ein taugliches Mittel, um den Zustrom insbesondere von nichtschutzbedürftigen Flüchtlingen zu begrenzen", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Bernd Jürgen Schneider.
Familiennachzug nicht begrenzen
Vor der am Donnerstag geplanten Abstimmung im Bundestag über das Asylpaket der Bundesregierung appellierten Organisationen nochmals an die Parlamentarier, nicht zuzustimmen. Das Gesetz stelle "die Weichen auf Ausgrenzung und Abwehr und ist mit der Achtung von Menschenrechten nicht vereinbar", heißt es in einem Brief von Amnesty International und Pro Asyl an Bundestag und Bundesrat, der am Freitag das Paket beraten soll. Es hat zum Ziel, Asylverfahren zu beschleunigen und Integration zu erleichtern. Hauptsächlich handelt es sich aber um Verschärfungen für Asylbewerber, die unter anderem schnellere Ausreisen und Abschiebungen bewirken sollen.
Unterdessen wies de Maizière eine Forderung der CSU nach einer Begrenzung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen zurück. "Ich finde es im Prinzip richtig, daran festzuhalten, dass bei Schutzbedürftigen die Familie zusammenlebt", sagte er dem epd. Hierbei sei internationales Recht zu beachten, und es stelle sich die Frage, ob überhaupt nationaler Gestaltungsspielraum bestehe. Die SPD betonte, mit ihr sei eine solche Begrenzung nicht zu machen. Forderungen danach seien blanker Populismus, sagte Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht. "Anerkannte Flüchtlinge haben einen europarechtlichen Anspruch auf Nachzug ihrer Kernfamilie, an dem nicht gerüttelt wird", ergänzte sie.