Der Oldenburger Bischof Jan Janssen überreichte die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung am Mittwoch in einem Festakt in Bielefeld-Bethel. Der Gehalt von Jäckles Roman sei zutiefst menschlich, sagte Janssen. In vielen Momentaufnahmen mache die Autorin das unermessliche Leid der Betroffenen der Tsunami- und Reaktorkatastrophe deutlich, bewahre dabei aber Distanz, betonte der Vorsitzende des Evangelischen Literaturportals.
Der Evangelische Buchpreis wird seit 1979 von dem Literaturportal vergeben, dem Dachverband öffentlicher evangelischer Büchereien. Eine Jury hatte Jäckels Roman aus 115 Vorschlägen von Leserinnen und Lesern ausgewählt, darunter waren auch Kinder- oder Sachbücher. Der prämierte Roman spielt im Jahr 2011 in der Nähe von Fukushima. Der namenlose Ich-Erzähler hat nach der Atomkatastrophe in der japanischen Stadt den Auftrag erhalten, anhand von Fotos entstellter Opfer Zeichnungen anzufertigen. Sie sollen es den Hinterbliebenen ermöglichen, die Verstorbenen zu identifizieren.
Ein leises Buch über das Thema Durchhalten
In der Laudatio würdigte die österreichische Journalistin und Japan-Kennerin Judith Brandner den Roman als "Requiem" für die 19.000 Toten des Atomunglücks und "Verneigung vor den Opfern". Das Buch thematisiere das "urmenschliche, alle Grenzen von Kulturen und Religionen überschreitende Bedürfnis", verstorbenen Angehörigen eine würdige letzte Ruhestätte zu bereiten.
Für die Jury des Buchpreises "atmet der Roman Auferstehung". Die Arbeit des Zeichners wirke dabei wie eine Metapher, heißt es in der Preisbegründung der Jury. "Die anonymen Opfer bekommen Gesicht und am Ende wieder Namen. Fast ist es so, als erwachten sie in den Bildern des Zeichners zu neuem Leben in Würde und Unversehrtheit."
Jäckle sagte, der auf Tatsachen beruhende Roman sei eine "innere Fügung" gewesen. Sie habe einer Welt, die voll sei von "inszenierten Dramen", ein leises Buch über das Thema Durchhalten, das Weiterleben im Angesicht des Unfassbaren, entgegensetzen wollen.
Die Autorin wurde 1966 im Schwarzwald geboren, wuchs in Stuttgart auf und lebt heute in Berlin. Neben mehreren Romanen verfasste sie auch Hörspiele, Theaterstücke und Drehbücher. Jäckle erhielt für ihr Werk zahlreiche Preise und Stipendien.
Die Evangelische Kirche von Westfalen war zum vierten Mal Gastgeberin der Preisverleihung. Die westfälische Präses Annette Kurschus hob die Bedeutung von Literatur für die Kirchen hervor. "Literatur hilft, die Welt zu erschließen, indem Autoren ihre Sicht auf die Gesellschaft und Menschen artikulieren", sagte die Theologin. Zur westfälischen Kirche gehören 115 evangelische Büchereien.