Berlin (epd)Bund und Länder haben nach monatelangem Ringen eine Einigung bei der Kostenverteilung für die Versorgung von Flüchtlingen erzielt. Bei einem mehrstündigen Treffen im Kanzleramt verständigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten am späten Donnerstagabend auf eine monatliche Kostenpauschale von 670 Euro pro Flüchtling, die der Bund künftig übernehmen wird.
Auch für jugendliche Flüchtlinge und den sozialen Wohnungsbau plant der Bund höhere Ausgaben. Zugleich wurde vereinbart, die Liste sicherer Herkunftsländer zu erweitern. Während sich Vertreter der Bundesländer zufrieden mit den Beschlüssen des Flüchtlingsgipfels zeigten, äußerten der Deutsche Landkreistag, die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, Kritik.
Mehr Geld für sozialen Wohnungsbau
Zusätzliche finanzielle Hilfen in Höhe von 350 Millionen Euro im Jahr stellte Merkel unter anderem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Aussicht. Der Einigung zufolge sollen zudem die Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 2016 bis 2019 um jeweils 500 Millionen Euro erhöht werden.
Gemäß der neuen Pauschallösung pro Flüchtling will der Bund auf Grundlage der aktuell geltenden Prognose über 800.000 Flüchtlinge und einer angenommenen durchschnittlichen Verfahrensdauer von fünf Monaten 2,68 Milliarden Euro im Voraus an die Länder zahlen. Am Jahresende wird die Unterstützung dann an die tatsächlichen Kosten angeglichen und auf dieser Grundlage die folgende Abschlagszahlung berechnet.
Der Bund rechnet damit insgesamt mit Ausgaben in Höhe von über vier Milliarden Euro, die an die Länder gehen. Eingerechnet sind dabei noch nicht die eigenen Ausgaben im Bundeshaushalt beispielsweise für Sozialleistungen und Arbeitsmarktprogramme. Dafür hatte die Koalition weitere drei Milliarden Euro angesetzt.
Schnellere Asylverfahren
Die Ländervertreter äußerten sich zufrieden mit dem Ergebnis. "Die Summe stimmt", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am späten Donnerstagabend im WDR. Es gebe eine dauerhafte, strukturelle Entlastung für die Betreuung der Flüchtlinge. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte unmittelbar nach dem Gipfel vor Journalisten, es sei ein deutliches Zeichen, dass der Bund dynamisch in die Finanzierung einsteigt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem "ganz hervorragenden Ergebnis". Für das laufende Jahr stellt der Bund seinen Worten zufolge zudem eine weitere Milliarde Euro zur Verfügung.
Aus den Kommunen kam Kritik an den Beschlüssen. Auch künftig würden die Städte, Gemeinden und Landkreise nicht direkt vom Bund finanziell entlastet, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Es bestehe die Gefahr, dass die Länder die Kommunen nicht angemessen beteiligen.
Bundesregierung und Ministerpräsidenten einigten sich darüber hinaus auf verschiedene Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren. Albanien, Kosovo und Montenegro sollen zur Liste der sicheren Herkunftsländer hinzugefügt werden, was verkürzte Asylverfahren bei Antragsstellern aus diesen Staaten ermöglicht. Die Zustimmung des Bundesrates zur Erweiterung der Staaten-Liste ist jedoch wegen Widerstandes aus den Reihen der Grünen ungewiss.
Einschnitte bei den Sozialleistungen
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl übte scharfe Kritik an den Plänen, nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina drei weitere Balkanstaaten als sicher zu erklären. Die Einstufung eines Staates wie dem Kosovo als sicher, in dem im Rahmen des KFOR-Einsatzes internationale Soldaten zur Friedenssicherung eingesetzt sind, sei absurd, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt.
In dem zwischen Bund und Ländern abgestimmten Gesetzespaket enthalten sind auch die geplanten Einschnitte bei den Sozialleistungen für bestimmte Gruppen abgelehnter Asylbewerber, die zur Ausreise aufgefordert werden. In Erstaufnahmeeinrichtungen soll es künftig zudem vorrangig Sachleistungen geben. Dazu äußerte die Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt Bedenken. "Ich frage mich, ob das verfassungsfest ist", sagte sie am Freitag im Deutschlandfunk.
Im Zuge der Beratungen legten Bund und Länder auch ihren Streit über die freiwerdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld bei. Sie sollen nach Umsatzsteuerpunkten und Einwohnerzahl auf die Länder verteilt und dort für familienpolitische Leistungen eingesetzt werden. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sagte am Freitag im ARD-"Morgenmagazin", davon würden Familien allgemein, insbesondere aber auch Flüchtlingskinder profitieren.