Berlin (epd)Vor dem EU-Sonderrat mehren sich Forderungen nach einer stärkeren Bekämpfung von Fluchtursachen unter anderem im Nahen Osten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Dienstag nach einem Treffen mit ihrem finnischen Amtskollegen Juha Sipilä in Berlin, es müsse alles getan werden, um die Ursachen der Flucht aus den Flüchtlingslagern zu stoppen. Dabei verwies sie auf die schwierige Lage des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) und des Welternährungsprogramms (WFP). Den UN-Institutionen fehlt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise Geld, für die syrischen Flüchtlinge wurden schon vor längerem die Essensrationen gekürzt.
Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich am Mittwoch in Brüssel, um über die Flüchtlingskrise an Europas Grenzen zu beraten. Wie aus Regierungskreisen in Berlin verlautete, soll es dabei hauptsächlich um außenpolitische Aspekte der Krise gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Angaben zufolge darauf dringen, dass die EU einen höheren Beitrag zur Finanzierung der Flüchtlingslager rund um Syrien leistet. Außerdem soll ein intensiverer Dialog mit der Türkei eingeleitet und über die Errichtung von "Hotspots" in Italien, Griechenland und weiteren Ländern beraten werden.
"Kollektives Versagen"
Auch die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), forderte eine größere Unterstützung der Nachbarländer Syriens und warf der Staatengemeinschaft "kollektives Versagen" vor. Ohne eine bessere Unterstützung würden die Menschen "nicht nur vor dem Krieg in Syrien fliehen, sondern immer mehr auch vor dem Hunger und der Perspektivlosigkeit in den Camps", sagte Özoguz am Dienstag nach einem Besuch im jordanischen Flüchtlingslager Za'atari.
Die Welthungerhilfe forderte von der Staatengemeinschaft mehr politische Anstrengungen bei der Bekämpfung von Fluchtursachen in den Krisenländern. Von zentraler Bedeutung seien diplomatische Anstrengungen für Friedenslösungen in Ländern wie Syrien, die Stabilisierung der Wirtschaft vor Ort, verringerte Waffenexporte, aber auch eine ambitionierte Klimapolitik, sagte Präsidentin Bärbel Dieckmann. Nur die Schaffung konkreter Perspektiven vor Ort halte die Menschen in ihrer Heimat.
Angesichts des Mangels an Bildungsangeboten warnte die Welthungerhilfe vor einer "verlorenen Generation" unter den Flüchtlingen und forderte auch eine andere Integrationskultur in Europa. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sprach sich für frühzeitige Integrationsmaßnahmen aus. Nach ihren Schätzungen werden in diesem Jahr europaweit voraussichtlich eine Million Asylanträge gestellt. 350.000 bis 450.000 der derzeit ankommenden Asylbewerber werden nach ihrer Prognose als Flüchtlinge anerkannt und auf Dauer bleiben.