Sebastian Marka, der für den HR unter anderem auch den letzten "Tatort" mit Joachim Król inszeniert hat ("Das Haus am Ende der Straße"), setzt bei seiner Umsetzung weniger verblüffende Akzente als sein Kollege Florian Schwarz beim Auftaktfall, aber schon die originelle Gestaltung des mit Technoklängen unterlegten Vorspanns verdeutlicht, dass auch "Hinter dem Spiegel" kein Krimi von der Stange ist: Die Großstadtbilder werden spiegelbildlich verdoppelt, ein simpler Effekt, der aber eine verblüffende Wirkung erzielt; ein erster Hinweis auf das doppelt Spiel, das einige der Protagonisten spielen, und fast ist es ein bisschen schade, dass der schurkische Drahtzieher von Anfang an feststeht.
Zunächst aber muss Brix seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, denn er soll die Tötung rechtfertigen, mit der "Kälter als der Tod" endete. Da das Finale des Films in Form von Rückblenden nachgereicht wird, funktioniert die Fortsetzung auch dann, wenn man die Einführung des Frankfurter Duos verpasst hat. Brix kommt davon, muss aber Innendienst schieben, was ihn nicht vor der nächsten Bredouille bewahrt: Ein früherer Kollege von der Sitte, Simon Finger (Dominique Horwitz), bittet ihn um Hilfe. Kurz drauf ist der Mann tot, kaltblütig exekutiert vom eigenen Chef (Justus von Dohnányi), der die Tat Brix in die Schuhe schieben will: Es geht um das Versteck eines Kronzeugen der gegen die russische Mafia aussagen soll. Die beiden wollten den Russen das Versteck verraten, aber Finger war zu gierig.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Autor Erol Yesilkaya, der gemeinsam mit Michael Proehl das Drehbuch zum Król-Abschied geschrieben hat, erzählt die Handlung allerdings alles andere als gradlinig. Der Reiz der Geschichte liegt nicht zuletzt in der Spiegelmetapher. Natürlich ist einigermaßen klar, dass Brix kein Krimineller ist, und auch Kollegin Janneke geht davon aus; aber sicher sein kann sie sich nicht. Eine weitere Rückblenden-Ebene weckt zusätzliche Zweifel, denn der Hauptkommissar war ebenso wie seine Mitbewohnerin Fanny (Zazie de Paris) offenkundig in eine Schießerei in einem Bordell verwickelt. Schon allein die optischen Verknüpfungen dieser beiden Handlungsstränge sind kleine Kunstwerke. Ohnehin ist die Bildgestaltung durch Armin Alker, der bei fast allen Krimis mit Krol und Nina Kunzendorf die Kamera geführt hat, ungemein durchdacht. Das zeigt sich auch in den Blickwinkeln, die ungewöhnlich, aber nicht bemüht originell wirken. Ähnlich herausragend und eine perfekte Ergänzung der Bilder ist die überwiegend elektronische, mitunter aber auch rockige Musik von Thomas Mehlhorn.
Recht effektiv ist ein weiterer Spiegeltrick, als Brix im Badezimmer die Tür des Spiegelschränkchens schließt und man einen Doppelgänger des toten Kollegen Finger sieht: Ein Kleinganove (Henning Peker) hat das scheinbar leere Auto des Polizisten und darin dessen Brieftasche gefunden. Ein kurzer Blick auf den Polizeiausweis, und schon ist ihm klar, dass wenige Handgriffe genügen, um ihn wie ein Zwilling des Beamten aussehen zu lassen; und so gerät er ebenfalls ins Visier der Mafia. Da befindet er sich in bester Gesellschaft, denn die Verbrecher stecken auch hinter den Morden an zwei Männern, die für die Planung und Realisierung eines Vergnügungsparks verantwortlich waren. Eigentlich ist Janneke damit völlig ausgelastet, aber sie ist auch eine Kümmerin und zudem ziemlich neugierig. Trotzdem bleibt Brix nichts anders übrig, als den Fall selbst in die zu Hand nehmen. Dass es Buch und Regie allem tödlichen Ernst zum Trotz gelingt, auch noch kleine Comedy-Momente einzustreuen, ist vielleicht das verblüffendste an diesem rundum gelungenen Krimi, der bis zum Schluss immer wieder Überraschungen zu bieten hat.