Deutschland und EU dringen auf schnelles Handeln in
Flüchtlingspolitik

epd-bild/Igor Petyx
Bootsflüchtlinge im Hafen von Palermo.
Deutschland und EU dringen auf schnelles Handeln in Flüchtlingspolitik
Merkel: «Wir müssen jetzt einfach anpacken»
In der Flüchtlingspolitik ringt die EU um eine gemeinsame Antwort. Kommissionspräsident Juncker startet einen neuen Versuch, Flüchtlinge in allen Mitgliedstaaten zu verteilen. Die Asylpolitik bestimmte auch die Haushaltsdebatte im Bundestag.

Berlin (epd)Angesichts steigender Flüchtlingszahlen dringen die EU-Kommission und die Bundesregierung auf schnelle politische Entscheidungen. «Das Gebot der Stunde ist es, zu handeln», sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch im Straßburger Europaparlament. Er startete dort einen neuen Versuch, Flüchtlinge in allen EU-Mitgliedstaaten zu verteilen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drängte zur Eile, auch was die nationalen Pläne angeht: «Wir müssen jetzt einfach anpacken», sagte sie bei der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag.

«Wir werden nicht einfach weitermachen können wie bisher», sagte die deutsche Regierungschefin. Die derzeitige Situation sei «der Anfang und nicht das Ende einer Entwicklung». Merkel betonte aber auch, dass Deutschland mit der steigenden Zahl Asylsuchender umgehen könnte: «Es ist Privileg und es ist ein Glück in guten demokratischen Verhältnissen zu leben und über einen Haushaltsentwurf wie diesen zu sprechen.» Der Entwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht Ausgaben von insgesamt 312 Milliarden Euro vor. Für den Bereich der Flüchtlingspolitik hat die Koalition bislang sechs Milliarden Euro zusätzlich für 2016 in Aussicht gestellt.

Solidarische Verteilung der Flüchtlinge

Parallel zur Debatte im Bundestag stellte Juncker in Straßburg seine Pläne zur Asylpolitik vor. Die EU-Kommission unternimmt trotz des Widerstandes einiger Länder einen neuen Anlauf, auf europäischer Ebene die Verteilung von Flüchtlingen nach einem festen und verbindlichen Schlüssel zu etablieren. Bereits am kommenden Montag will Juncker mit den Innenministern der 28 Staaten Pläne debattieren, 120.000 Menschen auf die Staaten zu verteilen. Deutschland soll aus dem Kontingent rund 31.400 Menschen aufnehmen. Die deutsche Bundesregierung gehört zu den maßgeblichen Befürwortern eines europaweiten Verteilschlüssels.

Entsprechend begrüßte Merkel Junckers Pläne. Es müsse eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in Europa geben, sagte sie. «Wenn Europa in der Flüchtlingsfrage versagt, dann ginge ein entscheidender Gründungsimpuls eines geeinten Europas verloren - nämlich die enge Verbindung mit den universellen Menschenrechten», sagte sie. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) äußerten sich zufrieden. Die «mutigen Vorschläge» der Kommission zeichneten einen richtigen Weg vor, erklärten die Minister gemeinsam.

Das Drängen auf europäische Solidarität in der Flüchtlingspolitik gehört zum Maßnahmenkatalog der Koalition, der nun mit den Ländern beraten wird. Auf nationaler Ebene planen Union und SPD eine Reihe von Gesetzesänderungen, um Integration zu erleichtern, aber auch Abschiebungen besser durchzusetzen. Teil des Konzepts ist auch ein stärkerer finanzieller Beitrag bei der Versorgung von Flüchtlingen, die bislang Länder und Kommunen nahezu allein schultern. Drei der sechs Milliarden Euro sollen an sie gehen.

Kritik der Opposition

Der Opposition ist das zu wenig. Das Geld genüge nicht und sei kein struktureller Beitrag, kritisierte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi. Gysi sprach sich für den Erhalt des Solidaritätszuschlags zur Finanzierung der Asylkosten aus. Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, forderte mehr Mittel des Bundes. Sie sprach sich für einen Pro-Kopf-Beitrag pro Flüchtling aus, wie ihn auch bereits mehrere Bundesländer gefordert hatten. Das Bundesfinanzministerium verteidigte dagegen das Angebot der Koalition, das nun Verhandlungsbasis ist. Man halte es für «angemessen», sagte eine Sprecherin in Berlin.

Die Opposition kritisierte im Bundestag zudem mangelndes Engagement und eine fehlende Gesamtstrategie beim Thema Asyl. Gysi forderte von der Bundesregierung mehr Anstrengungen bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Göring-Eckardt warf Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zögerliches Handeln vor. Am Donnerstag will die Kanzlerin die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Berlin besuchen, um sich über die Arbeit der Behörde zu informieren. Das Bundesamt steht derzeit im Fokus der Asyldebatte, weil es für die Verfahren zuständig ist.