Studentische Flüchtlingshelfer aus Marokko und zwei Geistliche aus Zentralafrika haben am Dienstag den Aachener Friedenspreis erhalten. Die Preisträger seien leuchtende Vorbilder von glaubwürdiger Menschlichkeit in einer oft unmenschlichen Welt, sagte die evangelische Theologin Margot Käßmann in ihrer Laudatio. Sie warf der EU vor, sie dulde einen menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen an ihren Außengrenzen. "Dafür schäme ich mich, das empört mich, dagegen brauchen wir einen Aufstand der Solidarität und der Mitmenschlichkeit", forderte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Der renommierte Friedenspreis geht zur Hälfte an eine afrikanische Studentengruppe, die sich in Marokko um Flüchtlinge aus dem südlichen Afrika kümmert. Diese Menschen würden von den Behörden verschleppt, interniert oder in die Wüste getrieben, sagte Käßmann. Die von der evangelischen Kirche unterstützten Helfer riskierten ihr eigenes Leben, um die Flüchtlinge außerhalb der nordmarokkanischen Stadt Oujda mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten zu versorgen. Es ist in Marokko strafbar, Flüchtlinge ohne Papiere zu unterstützen, die Hilfe der Kirchen wird aber bisher geduldet.
Das Vorgehen gegen Flüchtlinge in dem nordafrikanischen Land sei menschenverachtend und werde offenbar von der EU veranlasst, kritisierte Käßmann. Dies sei eine Schande für die europäischen Länder, die alles täten, um Flüchtlinge fernzuhalten. "Meiner Ansicht nach verspielt Europa in diesen Monaten die Errungenschaften, für die es den Friedensnobelpreis erhalten hat", erklärte die Altbischöfin. "Menschenrechte enden nicht an den Grenzen Europas."
Die drei ausgezeichneten Studenten aus Madagaskar, Mosambik und Ghana kritisierten ebenfalls, durch die "Festung Europas" werde Flüchtlingen verweigert, ein Leben in Würde zu führen. Sie seien "der Gewalt, dem Menschenhandel und den Gefahren des Meeres ausgesetzt". Ihre Heimat hätten sie bereits wegen Krieg, Ungerechtigkeit und Hunger verlassen.
Der Friedenspreis wurde außerdem an Erzbischof Dieudonné Nzapalainga und Imam Kobine Layam aus der Zentralafrikanischen Republik verliehen. Sie setzen sich angesichts des Bürgerkriegs zwischen muslimischen und christlichen Gruppen in einem der ärmsten Länder der Welt für ein friedliches Miteinander der Religionen und eine gewaltfreie Konfliktlösung ein. Damit legten sie ein hoffnungsvolles Zeugnis davon ab, dass Religion helfen könne, Grenzen zu überwinden, erklärte Käßmann. Die Freundschaft zwischen den beiden Geistlichen war entstanden, nachdem der Bischof dem Imam und mehr als 10.000 weiteren Vertriebenen Asyl gewährt hatte.
Preis ist Ansporn für die Kirche
Käßmann wies darauf hin, dass es in Zentralafrika unter dem Deckmantel von Religion um Macht, Gewalt und Kriminalität gehe. "Dass ein Muslim und ein Christ hier gemeinsam trotz aller Bedrohungen gegen ihre Person in einem Konflikt für den Frieden eintreten", sei ein Hoffnungszeichen mit weltweiter Bedeutung. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz nannte die Preisverleihung an die beiden Geistlichen einen Ansporn für die Kirche, im interreligiösen Dialog nicht nachzulassen. Mit der Ehrung rücke das Friedenspotenzial in den Fokus, "das den Religionen innewohnt und gerade in diesen Tagen zu leicht übersehen wird".
Das katholische Hilfswerk missio sieht in der Preisverleihung eine "wichtige Ermutigung zum Einsatz für die Menschenwürde von Flüchtlingen in unserem Land und weltweit". Der Vorsitzende des Aachener Friedenspreisvereins, Ralf Woelk, rief dazu auf, Kriege zu verhindern und zugleich denen zu helfen, die unter bewaffneten Konflikten leiden. Krieg sei die häufigste Fluchtursache. "Wir müssen den Krieg bekämpfen und nicht die Menschen, die vor ihm fliehen", erklärte Woelk.
Der symbolisch mit 1.000 Euro dotierte Aachener Friedenspreis wird seit 1988 an Menschen verliehen, die sich für Frieden und Völkerverständigung einsetzen. Er soll den Preisträgern zu größerer Öffentlichkeit verhelfen und sie so notfalls auch schützen.