Hunderte demonstrieren in Heidenau gegen Fremdenhass

Hunderte demonstrieren in Heidenau gegen Fremdenhass
Bundesverfassungsgericht kippte umstrittenes Versammlungsverbot
In Heidenau durfte am Wochenende wieder demonstriert werden. Die höchsten Richter in Karlsruhe hatten für die Versammlungsfreiheit entschieden. Der Ort hatte wegen rechtsradikaler Krawalle Schlagzeilen gemacht. Sachsen will nun durchgreifen.

Nach Aufhebung des Versammlungsverbots haben am Samstagabend im sächsischen Heidenau mehrere Hundert Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Nach Polizeiangaben meldete der Jenaer evangelische Pfarrer Lothar König eine Demonstration an, die ohne Zwischenfälle verlief. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor das Versammlungsverbot für den Ort außer Kraft gesetzt, das nach rechtsradikalen Ausschreitungen vor einer Flüchtlingsunterkunft erlassen worden war.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) kündigte ein hartes und rasches Durchgreifen gegen Übergriffe auf Asylbewerber an. "Gegen Täter, die Flüchtlinge und Asylantenheime angreifen, zeigen wir null Toleranz", sagte er der "Bild am Sonntag". Nach den Krawallen in Heidenau seien bereits rund 30 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Demo für Toleranz und Menschenrechte

Am Samstagnachmittag demonstrierten in der Landeshauptstadt Dresden nach Polizeiangaben rund 5.000 Menschen für Toleranz und Menschenrechte. Angemeldet waren die Demonstration vom Bündnis "Dresden Nazifrei". Eine Woche nach den rechtsextremen Ausschreitungen in Heidenau wollte das Bündnis damit ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen, hieß es. Es wurden keine Zwischenfälle bekannt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Eilentscheidung zu Heidenau das durch das Grundgesetz geschützte Gut der Versammlungsfreiheit (Az: 1 BvQ 32/15) betont. Zudem komme den jüngsten Ereignissen in Heidenau eine besondere Bedeutung in der aktuellen Flüchtlingsdebatte in Deutschland und Europa zu. Das Wochenende sei für viele Bürger zudem oft die einzige Möglichkeit, sich am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung durch ein "Sich-Versammeln" zu beteiligen, erklärten die Karlsruher Richter.

In Heidenau war am Samstagabend auch eine Kundgebung von Neonazis erwartet worden. Es seien aber "keine nennenswerten Gruppierungen der sogenannten Asylkritiker" festgestellt worden, erklärte die Polizei. Hauptaufgabe der Sicherheitskräfte sei in der Nacht zum Sonntag der Schutz der Flüchtlingsunterkünfte gewesen.

Bereits am Freitagnachmittag konnte in Heidenau ein Willkommensfest für Flüchtlinge mit rund 700 Teilnehmern stattfinden. Auch etwa 250 Anhänger der fremdenfeindlichen "Bürgerinitiative Heidenau" marschierten zur Flüchtlingsunterkunft. Die Polizei kesselte die Gruppe ein und erteilte Platzverweise.

Das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hatte am Donnerstag aus Sicherheitsgründen zunächst ein Versammlungsverbot für Heidenau erlassen. Es sollte ursprünglich von Freitagnachmittag bis Montagfrüh gelten. Das mit fehlenden Polizeikräften begründete Verbot ging durch alle Instanzen und wurde bundesweit und parteiübergreifend heftig kritisiert.

Hintergrund der angespannten Lage im sächsischen Heidenau sind rechtextreme Ausschreitungen vor gut einer Woche, bei denen mehr als 30 Polizisten verletzt wurden. Die Krawalle hatten in ganz Deutschland Entsetzen ausgelöst. Der sächsische Verfassungsschutz spricht von einer neuen Dimension der Gewalt: "Neu ist die Brutalität und die Bereitschaft, Polizisten zu attackieren", sagte der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath, der "Welt am Sonntag".

Früher hätten sich "Rechtsextremisten bemüht, als Saubermänner gegenüber der Polizei aufzutreten". So etwas habe er in Sachsen noch nicht erlebt, sagte Meyer-Plath. "Die NPD muss sich die gewalttätigen Übergriffe anrechnen lassen."

Nach Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Arbeitsgemeinschaft "Pro Asyl" gab es bis 28. August des laufenden Jahres bundesweit 359 gewaltsame Angriffe auf Asylbewerber und deren Wohnheime. Rund 60 Prozent davon entfielen auf die ostdeutschen Bundesländer, 28 Prozent allein auf Sachsen.