Zwar gebe es gute Gespräche mit der Bundesregierung, "aber manches dauert mir schlicht und einfach zu lange", sagte Kraft im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks. Dringenden Nachhofbedarf sieht die Politikerin bei der Bearbeitung der Asylanträge. "Das eigentliche Nadelöhr ist die Dauer der Verfahren." Momentan bräuchten die Behörden mehr als siebeneinhalb Monate, um einen Antrag zu bearbeiten. Zwischen Bund und Ländern verabredet seien drei Monate.
Dafür müsse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge deutlich besser ausgestattet werden. Zwar habe der Bund in der jüngsten Haushaltsentscheidung die Grundlage für zusätzliche Stellen geschaffen, aber die müssten auch besetzt werden, forderte die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Derzeit würden 200.000 Anträge pro Jahr bearbeitet. Bei der Prognose von 800.000 Flüchtlingen, die voraussichtlich in diesem Jahr nach Deutschland kommen werden, entstehe eine deutliche Lücke. "Das kann so nicht bleiben."
Es helfe allen, wenn die Menschen schnell wüssten, ob sie bleiben können oder nicht. Für diejenigen, beispielsweise aus Syrien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben können, bedeute das, sich schneller integrieren zu können und Dinge wie Sprachkurse und Anerkennung von Berufsabschlüssen in Angriff zu nehmen. Für diejenigen, die vermutlich in ihre Heimat zurück müssten, sei eine schnelle Entscheidung auch wichtig. "Viele, die kommen, wissen auch, dass sie nicht bleiben können, aber wenn das nach kurzer Zeit entschieden ist (...), dann ist es vielleicht auch nicht mehr ganz so interessant, sich überhaupt auf den Weg zu machen", sagte Kraft.
Die Prognose von 800.000 neuen Flüchtlingen in diesem Jahr hält Kraft für wahrscheinlich. "Aber vielleicht werden es auch noch mehr", gab die Politikerin zu bedenken. Erfahrungsgemäß steige die Zahl der Asylsuchenden in den Monaten September und Oktober nochmal deutlich an.
Scharfe Kritik übte Kraft am Verhalten einzelner Länder innerhalb der EU. Angesichts der Bilder von der Insel Kos oder vom Tunnel in Calais müsse es dringend neue Vereinbarungen geben. "Offensichtlich funktioniert das System nicht so, wie es geplant ist. Und ich finde, Europa ist eine große Solidargemeinschaft und muss auch weiter solidarisch sein." Wenn Nordrhein-Westfalen mehr Flüchtlinge aufnehme als Frankreich, dann stimme irgendetwas nicht.