Notwendig sei vielmehr eine Wertediskussion, forderte der Mediziner am Freitagabend beim 7. Bioethikforum der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bonn. Es sei zweifelhaft, ob die Frage der Sterbehilfe gesetzlich besser geregelt werden könne.
Vielen Patienten und auch Ärzten sei nicht bewusst, dass auch die derzeitige gesetzliche Regelung die Unterstützung beim Suizid nicht unter Strafe stelle, sagte Radbruch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ist. Zwar sei ärztlich assistierter Suizid in zehn von 17 Ärztekammern standesrechtlich untersagt. Allerdings müssten die Landesärztekammern nicht einschreiten und hätten dies zuletzt in den 70er Jahren getan.
Der Arzt wies darauf hin, dass die Liberalisierung von Sterbehilfe in den Niederlanden und Belgien zu einem starken Anstieg der assistierten Suizide geführt habe. Dazu gehörten auch Menschen, die unter schweren Depressionen, Demenz oder lediglich unter ihrem hohen Alter litten. Durch die Liberalisierung habe sich eine Eigendynamik entwickelt, sagte Radbruch. Die Hauptfrage sei: "Können wir uns als Gesellschaft Regeln geben, die klar genug sind, dass sie nicht entgleisen?"
Die Assistenz beim Suizid sei keine ärztliche Aufgabe, stellte Radbruch klar. Vielmehr müssten Mediziner heraus finden, wo die Gründe für den Todeswunsch lägen und nach Lösungen suchen. Oftmals seien es die Schmerzen oder die Angst vor einem Erstickungstod, die den Todeswunsch eines Patienten weckten. Beidem könne in den allermeisten Fällen durch Medikamente gut entgegen gewirkt werden.
Der wichtigste Grund, sterben zu wollen, sei aber nach seiner Erfahrung für die meisten Patienten nicht der Schmerz, so Radbruch. Das größte Problem sei oft die Angst vor der Abhängigkeit und die Sorge, anderen zur Last zu fallen. Dahinter stecke ein hohes Verlangen nach Autonomie und auch ein starker Leistungsgedanke. Hier müsse eine Wertediskussion ansetzen.
Im Herbst will der Bundestag über ein Sterbehilfe-Gesetz entscheiden. Derzeit gibt es vier Gesetzentwürfe, die von einem generellen Verbot der Beihilfe zum Suizid bis zur ausdrücklichen Erlaubnis für Sterbehilfevereine reichen.