Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellt die derzeitigen Leistungen für Asylbewerber infrage. Er sprach sich dafür aus, mehr Sachleistungen zu gewähren statt Geld zu zahlen. Auch das sogenannte Taschengeld könne man sich "genauer angucken".
Zugleich verwies der CDU-Politiker am Donnerstagabend im "heute-journal" des ZDF auf die "relativen engen Grenzen" durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Menschenwürde müsse gewahrt bleiben. "Man kann nicht beliebig reduzieren", sagte der Minister.
Dem Radiosender Bayern 2 sagte de Maizière am Freitag: "Die Höhe unserer Asylbewerberleistungen ist teilweise höher als ein Erwerbseinkommen in Albanien oder Kosovo." Es gebe zudem Bundesländer, die zahlten die Leistungen für Asylbewerber vier Monate im Voraus aus: "Da darf man sich nicht wundern, wenn das Geld dann an die Schlepper weitergegeben wird."
Kritik von Katrin Göring-Eckardt
Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt kritisiert den Vorstoß von Bundesinnenminister Thomas de Maizière für mehr Sachleistungen für Flüchtlinge. "Es ist eine Lebenslüge, dass sich die Zahl der Flüchtlinge über die Höhe der Leistungen regulieren ließe", sagte Göring-Eckardt der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). "Menschen fliehen nicht, weil die Situation in Deutschland so attraktiv ist, sondern weil die Lage in den Heimatländern katastrophal ist."
Der Bundesinnenminister müsse vielmehr nach "echten Lösungen" für die weiter hohe Zahl von Flüchtlingen suchen, sagte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag. "Flüchtlinge müssen einen kontrollierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen, die Situation in den Westbalkan-Staaten muss verbessert werden und der Bund muss sich stärker an den Kosten für die Flüchtlingshilfe beteiligen."
Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung findet Vorstoß "ärgerlich"
Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), kritisierte de Maizières Vorstoß. Sie finde es "ärgerlich", wenn der Eindruck vermittelt werde, Flüchtlinge bekämen ihr Taschengeld Monate im Voraus und verfügten über beträchtliche Geldsummen, sagte sie. Özoguz rechnete vor, jeder Asylbewerber habe täglich rund 4,64 Euro zur Verfügung, "um U-Bahn zu fahren, um zu telefonieren oder sich eine Zeitung zu kaufen".
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Eva Högl bezeichnete die Vorschläge des Innenministers als "ergebnisoffenen Diskussionsbeitrag". "Ich bin aber skeptisch, ob wir da am Taschengeld ansetzen sollten", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe).
Kritik auch von Opposition, Sozialverbänden und Diakonie
Besonders scharf kritisiert wurde de Maizière von der Opposition und von Sozialverbänden. Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke sagte, am Taschengeld zu sparen bedeute, an der Menschenwürde zu sparen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warf de Maizière Stimmungsmache gegen Flüchtlinge vor. Auch der DGB lehnte die Idee ab.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sieht eine Rückkehr zum Sachleistungsprinzip auch als Verstoß gegen die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. "Asylsuchende Menschen sind nicht mit Essenpaketen oder Gutscheinen abzuspeisen", sagte er. Das Sachleistungsprinzip wieder einzuführen, gehe zudem am Integrationsgedanken vorbei.
143 Euro Taschengeld im Monat
Welche Leistungen bedürftige Flüchtlinge erhalten, ist im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. In einer Erstaufnahmeeinrichtung wird der Grundbedarf des täglichen Lebens wie Ernährung, Unterkunft, Kleidung und Gesundheitspflege durch Sachleistungen gedeckt. Hinzu kommt ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse wie Fahrtkosten und Kommunikation. Seine Höhe unterscheidet sich je nach Alter und Familienstand, bei einem allein stehenden Asylbewerber beträgt es derzeit 143 Euro im Monat.
Nach Ablauf der Erstaufnahme wird der Grundbedarf vorrangig durch Geldzahlungen gedeckt. Dabei erhalten Alleinstehende 216 Euro im Monat, zusammen mit dem Taschengeld ergibt dies 359 Euro.
Unterschiedliche Standards innerhalb der EU
De Maizière verwies auf unterschiedliche Standards in den EU-Ländern, die dazu führten, dass viele Menschen den Weg nach Deutschland suchten. "Das heißt, wir brauchen auch eine Debatte über europäische Standards der Menschenwürde und der Leistungen", sagte er.
Der Innenminister kündigte an, dass die Prognose von 400.000 Asylbewerbern für Deutschland im Verlauf des laufenden Jahres erneut nach oben korrigiert wird. In der nächsten Woche werde er nach Rücksprache mit den Bundesländern eine neue Prognose vorliegen. Die Zahl werde "sehr viel höher" ausfallen, auch wenn er eine Schätzung von 600.000 Asylbewerbern derzeit nicht bestätigen könne.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von evangelisch.de Portalleiter Hanno Terbuyken: "Deutschland verändert sich - wir brauchen einen Plan"