Christen, Juden und Muslime feiern gemeinsam Gottesdienst. Geht das eigentlich?
Jochen Arnold: Natürlich. Wir bezeichnen das dann allerdings nicht als Gottesdienst, sondern als multireligiöse Feier. Ein Vorbild ist das Weltgebetstreffen auf Einladung von Papst Johannes Paul II. 1986 in Assisi. Dazu hatte er hohe Geistliche der verschiedensten Religionen zu einem Friedensgebet eingeladen. Auch bei der Trauerfeier anlässlich der Anschläge des 11. September in New York gab es ein multireligiöses Gebet. Das bedeutet: Menschen beten "nebeneinander" oder besser nacheinander in gegenseitigem Respekt, aber ohne die Inhalte zu vermischen. Ihre Gebete, Lieder, Bekenntnisse oder Elemente der Verkündigung sind klar als Glaubensäußerung ihrer Religionsgemeinschaft erkennbar.
Oft wird gesagt, Christen, Juden und Muslime glauben an ein und denselben Gott. Das stimmt also gar nicht?
Arnold: Christen, Juden und Muslime glauben alle, dass es nur einen Gott gibt, dass er die Welt geschaffen und sich Abraham besonders offenbart hat. Allerdings unterscheidet uns Christen von Juden und Muslimen, dass wir an einen dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, glauben, der sich im Menschen Jesus Christus selbst als liebender Gott gezeigt hat. Das ist ein deutlicher Unterschied. Das wird auch von allen Seiten bedacht und artikuliert. Ich persönlich gehe aber schon davon aus, dass derselbe Gott zuhört, egal, ob ein Muslim, Jude oder Christ ihn anruft. Gott ist, glaube ich, nicht von dogmatischen Unterscheidungen abhängig. Er ist größer, als wir denken.
Warum braucht es gemeinsame Feiern unterschiedlicher Religionen an Schulen?
Arnold: Wir brauchen gemeinsame Feiern, weil es immer wieder Anlässe im Schulalltag gibt, in denen glaubende Menschen das Bedürfnis haben, sich zusammen zu tun. Das muss auch nicht auf Juden, Christen und Muslime beschränkt sein. Eine gute Schule ist mehr als nur "Lernfabrik". Solche Feiern sind eine heilsame Unterbrechung vom Schulalltag. Schulen, in denen regelmäßig multireligiöse Gebete stattfinden, haben auch einen deutlichen Vorsprung: Hier wird in Achtung und Respekt voreinander und vor Gott etwas eingeübt, was dem Frieden dient. Wir werden es auf diesem Wege auch hoffentlich schaffen, dass Gewalt unter Jugendlichen nicht mehr religiös motiviert wird.