Die katholische Kirche hält an dem nachgewiesenen Hirntod als Kriterium für eine Organentnahme fest. In einer neuen Handreichung zu Hirntod und Organspende unterstreichen die katholischen Bischöfe zudem, dass eine umfassende Aufklärung aller Betroffenen zwingend erforderlich sei, um das Vertrauen in die Transplantationsmedizin wiederherzustellen. Trotz Einwänden gegen das Hirntod-Konzept sei es das beste und sicherste Kriterium für die Feststellung des Todes eines Menschen, schreibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, im Vorwort der Stellungnahme, die am Mittwoch in Bonn veröffentlicht wurde. Potenzielle Organspender könnten zu Recht davon ausgehen, "dass sie zum Zeitpunkt der Organentnahme wirklich tot und nicht nur sterbend sind".
Organspende könne Akt christlicher Nächstenliebe sein
Bei der ethischen Bewertung der Organspende unterstreicht die Handreichung, strikte Freiwilligkeit und umfassende Aufklärung des Spenders seien wesentliche Bedingungen. Es bestehe keine moralische oder rechtliche Pflicht zur Organspende, auch gebe es keinen Rechtsanspruch auf Erhalt eines fremden Organs. "Eine Organspende kann in diesem Sinne ein Akt christlicher Nächstenliebe sein", heißt es in dem Text, den die bischöfliche Glaubenskommission unter Vorsitz von Kardinal Karl Lehmann ausgearbeitet hat. Mit der Orientierungshilfe reagierten die Bischöfe auf Skandale bei der Vergabe von Organen, die zu einem dramatischen Rückgang der Spendebereitschaft geführt hatten, und die Debatte über die Plausibilität des Hirntod-Kriteriums.
Die Bischöfe bringen eine "enge Zustimmungslösung" für die Regelung der Organspende ins Gespräch. Danach sollte die Organentnahme an die ausdrückliche Zustimmung des Spenders gebunden werden. Auf diese Weise werde besser als derzeit zum Ausdruck gebracht, dass die schriftlich dokumentierte individuelle Willensbestimmung des Spenders größtmögliche Handlungssicherheit schaffe und deshalb als Normalfall angestrebt werden sollte.
Bisher gilt in Deutschland die erweiterte Zustimmungslösung, wonach eine Organentnahme erlaubt ist, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten zugestimmt hat oder die Angehörigen in dessen Sinne zustimmen. Es reiche nicht aus, wenn die Bürger regelmäßig von der Krankenversicherung aufgefordert werden, eine persönliche Entscheidung zur Spendebereitschaft zu fällen, argumentieren die Bischöfe. Es gehe auch um Fragen der geistlichen Begleitung und der Sorge um die Angehörigen, um die Gelegenheit einer würdigen Verabschiedung sowie eines pietätvollen Umgangs mit dem Leichnam des Organspenders.
Der Deutsche Ethikrat hatte sich im Februar in einer Stellungnahme hinter die geltende Regelung gestellt, wonach der eindeutig festgestellte Hirntod die Voraussetzung für eine Organentnahme ist. Keine Einigkeit bestand im Ethikrat darüber, wann ein Patient als tot zu betrachten ist. Eine Minderheit hält den Hirntod nicht für den Tod eines Menschen, sondern sieht darin nur ein Entnahmekriterium.
EKD: freie Entscheidung des Einzelnen stärken
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schloss sich dem Appell an, Transparenz, Information und Kommunikation rund um die Organspende zu verbessern und ermutigte auch ausdrücklich dazu, sich dem Ringen um die Verhältnisbestimmung von Tod und Hirntod offen zu stellen. Die Frage nach dieser Verhältnisbestimmung durchziehe auch den Text der Bischofskonferenz, sagte eine EKD-Sprecherin. Unverzichtbar sei es auch aus evangelischer Sicht, die freie Entscheidung der Einzelnen zu stärken. Derzeit arbeitet die EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung an einem Text zum Thema Organtransplantation, in der diese neuesten Erkenntnisse aufgenommen werden, wie die Sprecherin sagte.
Der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock begrüßte es, dass die Bischofskonferenz die internationale Debatte über den Hirntod anerkenne. Mit einer unbegründeten Zurückweisung kritischer Anfragen zum Hirntod-Konzept werde der Diskussion allerdings kein Dienst erwiesen, ergänzte Dabrock, der auch stellvertretender Vorsitzender im Deutschen Ethikrat ist. Zudem zeige sich bei der der Haltung zum Hirntod ein weiteres Beispiel für Differenzen in der ökumenischen Bewertung bioethischer Fragen, sagte der Erlanger Theologieprofessor.