"Seit Beginn der Krise haben wir sehr viele Anfragen von Eltern, die völlig verzweifelt waren und wollten, dass wir ihre Kinder aufnehmen", berichtete Yassin. Erstmals müssten Hilfsorganisationen das soziale Netz in einem westeuropäischen Staat ersetzen. Innerhalb Europas erlebten sie das bisher nur in der Ukraine oder Rumänien. In Griechenland gibt es ein Jahr lang ein Arbeitslosengeld von bis zu 550 Euro, danach nur noch ein Kindergeld von 40 Euro pro Monat und pro Kind.
Die SOS-Kinderdörfer bieten zwei Programme: Im ersten leben Kinder in Kinderdörfern, die nicht mehr bei ihren gewalttätigen oder drogenabhängigen Eltern bleiben können. Die Anzahl dieser Kinder habe sich kaum verändert, trotz Krise. Außerdem bieten die SOS-Kinderdörfer Familienhilfsprogramme an. "Sie sollen Familien stärken, die durch die wirtschaftliche Situation Gefahr laufen, zu zerbrechen", erklärte Yassin.
Dazu gehören psychologische Betreuung und finanzielle Hilfen, um etwa Schulbücher zu bezahlen. Vor der Krise unterstützten die SOS-Kinderdörfer in Griechenland 50 Familien. Mittlerweile sind es 1.500 Familien, noch einmal so viele stehen auf der Warteliste. Aber Plätze würden nur selten frei, etwa wenn eine Familie zu den Großeltern aufs Land ziehe, um dort den brachliegenden Hof zu bewirtschaften und von der Rente der Großeltern zu leben.
"Wir müssen dringend neue Plätze schaffen", sagte Yassin. "Vor allem hier in Deutschland rufen wir vermehrt zu Spenden auf." Die SOS-Kinderdörfer in Griechenland hätten sich zuvor aus griechischen Spenden finanziert. Seit Beginn der Krise verarme die Mittelschicht und spende weniger. Zudem besteuere der griechische Staat nun Spenden. "Das ist wirklich sehr ärgerlich", unterstrich Yassin. Spenden über die SOS-Kinderdörfer weltweit würden aber nicht besteuert, weil sie als Unterstützungsleistung zwischen den Organisationen gelten.
Yassin forderte einen ganzheitlichen Blick auf die Krise in Griechenland. Schon Teenager resignierten und gingen ohne Abschluss von der Schule ab - teilweise auch, weil ihre Eltern Schulbücher nicht bezahlen könnten. "In Griechenland beginnt man von einer 'verlorenen Generation' zu sprechen", sagte Yassin. Wer einen Abschluss mache, gehe oft ins Ausland. Wenn die Wirtschaft wieder anspringe, fehlten Fachkräfte.