Auf Initiative der Bundesregierung steigt demnach die Zahl der angelernten Helfer, die Heimbewohner sozial betreuen sollen. Die Helfer müssten aber oft gesetzeswidrig Pflege-Aufgaben übernehmen, etwa Bewohner waschen oder lagern, Medikamente verabreichen oder das Essen reichen, berichtete die Zeitung. Dies berge Experten zufolge Risiken für die Pflegebedürftigen, die sich lebensgefährlich verschlucken, stürzen oder Druckgeschwüre entwickeln könnten.
Bundesgesundheitsministerium verteidigt Einsatz von angelernten Helfern
Das Bundesministerium für Gesundheit verteidigte am Sonntag den Einsatz der Betreuungsassistenten. Sie könnten Pflegefachkräfte entlasten. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte in diesem Zusammenhang verbindliche Personalschlüssel in der Pflege in allen Bundesländern an.
Die Pflege-Professorin von der Universität Witten-Herdecke, Christel Bienstein, sagte der "Welt am Sonntag": "Das Problem mit den Betreuungsassistenten ist uns bekannt." Zwar sei der Ansatz gut, doch in der Praxis zeige sich, dass es an Fachpersonal mangele - und dieser Mangel durch die Alltagsbegleiter nicht sinnvoll kompensiert werden könne.
Seit Anfang dieses Jahres können Heimbetreiber von den Pflegekassen Lohnzuschüsse für die Betreuungsassistenten für alle Heimbewohner beantragen. Bis dato galt dies lediglich für Demenzkranke. Durch die neue Gesetzesregelung wird sich die Zahl der angelernten Helfer nach Erwartung der Bundesregierung auf rund 45.000 nahezu verdoppeln.
Berufsverbände und Oppositionspolitiker werfen der Bundesregierung vor, mit dem Ausbau des Modells Betreuungsassistent eine Deprofessionalisierung der stationären Altenpflege in Kauf zu nehmen. Der Fachkräftemangel in der Altenpflege in Kombination mit den nun verfügbaren billigen Helfern lade Heimbetreiber dazu ein, die Betreuungsassistenten in der Pflege einzusetzen, sagte Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe: "Anstatt die Pflegefachkräfte in den Heimen tatsächlich zu entlasten, wird die Versorgung auf immer mehr pflegerische Laien übertragen." So werde die pflegerische Unterversorgung in vielen Heimen kaschiert.
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums erklärte am Sonntag in Berlin: "Zusätzliche Betreuungskräfte können die Arbeit qualifizierter Pflegefachkräfte nicht ersetzen, sie können diese aber entlasten, damit den Fachkräften mehr Zeit für die eigentlichen Pflegeaufgaben bleibt." Die durch das Pflegestärkungsgesetz geschaffene Möglichkeit, Betreuungsassistenzen einzustellen, entbinde die Verantwortlichen allerdings nicht davon, "ihre Personalschlüssel regelmäßig zu überprüfen und an den neuen Bedarf anzupassen."
Die Richtwerte den Personalschlüssel seien von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, fügte der Ministeriumssprecher hinzu. Einige Länder - wie Bayern, Saarland und Rheinland-Pfalz - hätten sie bereits überarbeitet, andere müssen noch nachziehen.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte dem epd: "Das ist verkehrte Welt: Die Kleinsten sollen in unseren Kindergärten von Studienräten betreut werden und die Alten werden von Hilfskräften gepflegt." Dafür trügen auch die Sozialminister der Länder Verantwortung. Zehn Bundesländer hätten immer noch nicht einen verbindliche Personalschlüssel in der Pflege eingeführt.
Die pflegepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Elisabeth Scharfenberg, forderte in der "Welt am Sonntag" eine kritische Überprüfung des Modells Betreuungsassistent. "Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, dass zusätzliche Betreuungskräfte in größerem Ausmaß Pflegefachkräfte ersetzen, muss die Bundesregierung gesetzliche Regelungen erlassen, die diesen Missbrauch verhindern."
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), sagte, in der täglichen Praxis sei Pragmatismus sinnvoll. Betreuungskräfte sollten nicht pflegen, aber zumindest Essen reichen dürfen: "Alles andere ist lebensfremd."