Die Kirchen müssten "nah bei den Menschen sein und deren Situation im Lichte des Evangeliums deuten", sagte der Münsteraner Religionssoziologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die besondere Stärke der Kirchengemeinden liege in ihrer Kommunikation mit der Nachbarschaft und Familien. Wenn es dort gut laufe, könne das auch in weitere Bereiche der Gesellschaft ausstrahlen.
Nach einer aktuellen Studie Pollacks lassen ein hohes Wohlstandsniveau und ein hoher Grad an Individualisierung sowie kultureller und weltanschaulicher Vielfalt das Interesse an Religion sinken. Positiv wirke sich dagegen aus, wenn religiöses Leben in Gemeinschaften eingebettet sei. Der Studie zufolge verlassen die Gläubigen ihre Kirche weniger aus konkreten Gründen, sondern eher weil sie ihnen gleichgültig geworden sei. Gegen diesen Trend könnten die Kirchen wenig ausrichten, sagte der evangelische Theologe.
Die zunehmende Distanz zu den Kirchen liege vor allem an den vielen Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung in Beruf und Freizeit, erläuterte der Wissenschaftler vom Exzellenzcluster Religion und Politik der Universität Münster. "Diese ziehen die Aufmerksamkeit von Religion und Kirche ab." Die Menschen wendeten sich auch dann ab, wenn die Kirche gute Arbeit leiste und sich gesellschaftlichen Problemen stelle. Kirchen seien bereits in den vergangenen 50 Jahren viel menschenfreundlicher und offener geworden, bescheinigte Pollack und fügte hinzu: "Im Grunde haben sie vieles richtig gemacht."
Religion kann nach seinen Worten jedoch auch in schnelllebigen westlichen Gesellschaften Inseln der Ruhe und der Besinnung bieten. "Religion ist so etwas wie eine Unterbrechung unseres Alltags und in dieser Funktion für viele Menschen eine wichtige Hilfe", erläuterte der Religionssoziologe.
Für die Untersuchung "Religion in der Moderne: Ein internationaler Vergleich" werteten Pollack und sein Kollege Gergely Rosta Daten zu internationalen Entwicklungen seit 1945 in acht westlichen Ländern aus.
Buchhinweis:
Detlef Pollack, Gergely Rosta: Religion in der Moderne, Ein internationaler Vergleich, Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag 2015, 39,90 Euro.