Der kleine Flughafen in Kathmandu ist hoffnungslos überlastet. "Wir sind seit zwei Tagen hier, weil es hier sicherer ist als in anderen Teilen der Stadt, aber Wasser, Essen und Platz sind knapp", sagt Gwang Jung aus Südkorea, der in Nepal Urlaub machte, in ein Mikrofon. Das Flughafenpersonal hat zum Teil die Stadt verlassen, um auf dem Land nach ihren Familien zu schauen. Die ankommenden Rettungsflüge haben Priorität vor den kommerziellen Flügen.
Am Kalanki Chowk, einer chaotischen Kreuzung, wo die meisten Busse in Kathmandu abfahren, warten Massen von Menschen auf einen Platz in einem der hoffnungslos überfüllten Fahrzeuge. Preise haben sich versechsfacht. Selbst die Plätze auf dem Dach der klapprigen Busse sind begehrt. "Wir wollen weg hier. Ich habe Kinder und die können nachts nicht einfach auf der Straße bleiben", sagt ein Ladenbesitzer.
Der Schock weicht dem Ärger
Tausende wollen die Stadt so schnell wie möglich verlassen. Es fehlt an allem: Trinkwasser, Toiletten, Essen, Benzin, Holz, Medikamenten. Die Menschen haben Angst vor weiteren Beben. Viele schlafen weiter im Freien. Unter ihnen ist sogar der Präsident des Landes, Präsident Ram Baran Yadav, dessen Residenz beschädigt wurde.
Sintflutartiger Regen am Dienstagmorgen machte die Lage der vielen Obdachlosen in der 2,5 Millionen-Metropole noch trostloser. Der Untergrund in Parks und anderen Freiflächen, wo viele Menschen ihre Zelte aufgespannt haben, verwandelte sich in Schlamm. Der Regen soll die kommenden zehn Tage anhalten.
Bei vielen Überlebenden ist der Schock dem Ärger gewichen. Trotz guter Bemühungen kommt die Hilfe nur schleppend voran. Dabei ist das Ausmaß der Katastrophe immer noch nicht abzusehen. Nepals Premierminister Sushil Koirala sagte, es könnten mehr als 10.000 Menschen bei dem Beben umgekommen sein. "Die Regierung tut alles, was sie kann um Rettung und Hilfe zu bringen, unter Bedingungen wie in einem Krieg." Und er fügt hinzu: "Es ist eine Herausforderung und eine sehr schwere Stunde für Nepal."
Angst vor Dieben und Plünderern
Die Vereinten Nationen schätzen, dass insgesamt acht Millionen Menschen von dem Erdbeben betroffen sind, mehr als ein Viertel der Bevölkerung Nepals. Mindestens 1,4 Millionen Menschen sind auf Lebensmittelhilfe angewiesen.
Am größten scheint die Not auf dem Land. Aber viele Gebiete sind noch gar nicht zugänglich. Die Bewohner des Dorfes Barkobot, eineinhalb Stunden von Kathmandu entfernt, warteten am Dienstag verzweifelt auf Unterstützung. Alle Häuser seien dort zerstört oder beschädigt, berichteten sie telefonisch. Die Einwohner haben Angst vor Dieben und Plünderer. Wie in vielen ländlichen Gegenden Nepals leben auch in Barkobot vor allem Frauen, Kinder und Ältere. Die Männer im erwerbfähigen Alter arbeiten in Indien, in den Golf-Staaten oder anderswo fern von zu Hause.