Es sei nicht rechtens, wenn die Aufzeichnungspflichten der Arbeitszeit angeführt würden, um den Anspruch auf den Mindestlohn aufzuweichen, erklärten die Diakonie Deutschland und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am Montag in Berlin. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte die Mindestlohn-Regelungen und sagte vor Vertretern der Kirchen und Gewerkschaften, ein Rechtsanspruch müsse einklagbar sein. Ein Mindestlohn, der nicht bei den Leuten in der Tasche lande, nütze nichts.
Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ist zum Jahresbeginn eingeführt worden und mit Aufzeichnungspflichten verbunden, gegen die die Arbeitgeberverbände Sturm laufen. Nahles hat eine Überprüfung der gesetzlichen Regelungen zugesagt.
Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand warf den Kritikern des Mindestlohns vor, ihn "Stück für Stück wieder abschaffen" zu wollen. Armutslöhne von fünf oder sechs Euro in der Stunde dürfe es aber in Deutschland nicht geben. Mit Blick auf die Diakonie erklärte sie, Gewerkschaften und Kirchen teilten trotz erheblicher Differenzen über das kirchliche Arbeitsrecht die Sorge, wohin sich der Sozialstaat entwickle.
Nahles will beide an einen Tisch holen
Die Diakonie und ver.di forderten zum Abschluss einer Veranstaltungsreihe zur "Rückkehr des Sozialen in die Politik", die soziale Ungleichheit in Deutschland müsse reduziert werden. Bei sozialen Dienstleistungen müsse der Mensch wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Wettbewerb in der Sozialbranche dürfe "auf keinen Fall nur auf die Senkung der Kosten zielen" heißt es in dem gemeinsamen Papier "Fünf Thesen für eine sozial gerechte Gesellschaft", das Diakonie, die Evangelische Kirche, ver.di und die Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam veröffentlicht haben.
Das Papier ist Ergebnis eines Annäherungsprozesses. Die Diakonie und ver.di bemühen sich gegenwärtig, die Gräben, die die Auseinandersetzungen um das kirchliche Arbeitsrecht aufgerissen haben, angesichts der zahlreichen Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik wieder zuzuschütten. Arbeitsministerin Nahles kündigte in diesem Zusammenhang an, sie wolle Kirchen und Gewerkschaften an einen Tisch holen, um über einen allgemeinen Tarifvertrag für die Sozialbranche zu sprechen. In der Vergangenheit habe es kaum Fortschritte gegeben. Sie glaube aber, dass ein Sozialtarif gut sei für die Branche und ihre Beschäftigten und die Kirchen aus der Schusslinie nehmen könne, sagte die SPD-Politikerin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Dutzmann begrüßt Dialogbereitschaft
Die Kirchen, die in der Sozialbranche die größten Arbeitgeber sind, haben ein eigenes Arbeitsrecht, das Streiks ausschließt. Die jahrelangen Auseinandersetzungen mit ver.di haben unter anderem zu einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts geführt, welches das kirchliche Arbeitsrecht absichert, aber den Gewerkschaften mehr Beteiligungsrechte gibt. Teile der SPD streben eine Einigung auf einen Tarifvertrag für die Sozialbranche an.
Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Dutzmann, begrüßte die Dialogbereitschaft zwischen der Diakonie und ver.di. Er sagte, trotz der Meinungsverschiedenheiten über das Arbeitsrecht wollten Kirchen und Gewerkschaft sich nicht von gemeinsamen sozialpolitischen Überzeugungen abbringen lassen. Drängende Fragen seien die steigende Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen und die ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen. "Das ist nichts anderes als die ungerechte Verteilung von Lebenschancen", sagte Dutzmann.
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