Rechtlich seien sie nach höchstrichterlichen Urteilen vom Herbst vergangenen Jahres dazu zwar nicht verpflichtet, dennoch gehe an einer "Öffnung der Kirchen kein Weg vorbei", sagte der Präsident des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen am Dienstag auf einer Tagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Eichstätt. Der Richter am Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekräftigte: "Kirche muss in der Mitte unserer Gesellschaft stehen. Sonst gerät sie aufs Abstellgleis."
Er bezog sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2014. Danach dürfen katholische Arbeitgeber Mitarbeitern, die nach einer Scheidung wieder heiraten, kündigen. Karlsruhe hatte die Kündigung eines Chefarztes in einer katholischen Klinik nach dessen Wiederverheiratung für rechtens erklärt.
Auch Andersgläubigen Berufsperspektive bieten
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom September 2014 darf eine Krankenschwester in einem kirchlichen Krankenhaus kein islamisches Kopftuch tragen. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist hier höher zu bewerten als die Religionsfreiheit der Krankenschwester, entschied das BAG. In weiteren Entscheidungen erklärten Gerichte die Kündigung von Beschäftigten nach ihren Kirchenaustritten für rechtens. "Mit diesen Urteilen ist die Messe juristisch erst einmal gelesen", stellte Mestwerdt fest. Er riet aber den Kirchen, sich nicht auf ihrer rechtlich starken Position auszuruhen.
So erwartet der Richter etwa, dass kirchliche Kindertagesstätten, die von vielen muslimischen Kindern besucht werden, muslimische Erzieherinnen anstellen. Es sei auch ein "Ausdruck der Nächstenliebe, Andersgläubigen eine Berufsperspektive zu bieten". Die christlichen Kirchen und ihre Wohlfahrtseinrichtungen sind mit rund 1,3 Millionen Beschäftigen nach dem Staat der größte Arbeitgeber in Deutschland.
Alles eine Frage der Gerechtigkeit
Für Mestwerdt ist es "eine Frage der Gerechtigkeit, allen Menschen adäquate Lebens- und Teilhabemöglichkeiten zu gewähren". Im Übrigen komme die Kirche schon aufgrund der niedrigen Mitgliederzahlen in vielen Regionen Deutschlands nicht umhin, qualifizierte Fachkräfte auch unter nichtreligiösen Bewerbern auszuwählen. Andernfalls müssten sie sich mittelfristig mangels Personals aus Feldern der Sozialarbeit zurückziehen.