Wie einst bei Martin Luther (1483-1546) sei für das katholische Kirchenoberhaupt dabei das Evangelium maßgeblich, schreibt der emeritierte Kurienkardinal in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit". "Mit seinem evangelischen Programm greift er die ursprüngliche Botschaft der Kirche ebenso wie das Bedürfnis der Gegenwart auf und setzt zur Erneuerung an. Damit passt er weder in ein traditionalistisches noch in ein progressives Schema", erläuterte Kasper.
Über Franziskus schreibt der 81-jährige Kardinal, dieser habe den Herzschlag der gegenwärtigen Kirche verstanden: "Er vertritt keine liberale, sondern eine im ursprünglichen Wortsinn radikale, auf die Wurzel zurückgehende Position." Das Erneuerungsprogramm des Papstes sei ein "Ruf zu Umkehr und Neuorientierung" und wecke deshalb Widerstände: "So hat die Rede des Papstes vom Evangelium viele unruhig gemacht. Denn er spricht viel vom Evangelium, aber auffallend wenig von der Lehre der Kirche."
Franziskus antworte "auf die Not der Zeit und auf die Krise in der Kirche". Die lähmende geistliche Schwerfälligkeit der Kirche lasse sich nach Franziskus' Überzeugung nur durch den Schwung des Evangeliums überwinden, schreibt Kasper, der als ein Papstvertrauter gilt. In dieser Woche ist von Kasper das Buch "Papst Franziskus - Revolution der Zärtlichkeit und der Liebe" erschienen.