Nahles will Mindestlohn bis zum Sommer überprüfen

Nahles will Mindestlohn bis zum Sommer überprüfen
Der auf Drängen der SPD eingeführte gesetzliche Mindestlohn sorgt weiter für Streit in der großen Koalition. Arbeitsministerin Nahles signalisiert Gesprächsbereitschaft. Finanzminister Schäuble gießt Öl ins Feuer.

Im Koalitionsstreit um Veränderungen beim Mindestlohn signalisiert Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Gesprächsbereitschaft. Sie werde bis zum Sommer dafür sorgen, einen ehrlichen Überblick zu bekommen, kündigte Nahles an: "Schwierige Punkte werde ich dabei nicht ausklammern." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte unterdessen den Umfang der Mindestlohn-Kontrollen durch den Zoll infrage, um mehr Geld für die Terrorabwehr zur Verfügung zu stellen.

Nahles sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe), sie habe bereits damit begonnen, Arbeitgeber und Gewerkschaften bestimmter Branchen sowie Verbandsvertreter einzuladen, um mit ihnen über die ersten Erfahrungen zu sprechen. Für eine seriöse Evaluation halte sie aber mehr Zeit für erforderlich als die von der Union ins Gespräch gebrachten drei Monate.

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Den bürokratischen Aufwand durch Aufzeichnungspflichten, einem Hauptkritikpunkt von CDU und CSU wie Arbeitgebern, nannte Nahles überschaubar. Erfasst werden müssten ja nur Anfang, Dauer und Ende der Arbeitszeit. Und betroffen seien neben Minijob-Anbietern nur neun Branchen, wo es besonders wichtig sei genau hinzuschauen, sagte Nahles dem "Tagesspiegel".

Laut "Spiegel" will die Ministerin an den umstrittenen Dokumentationspflichten nicht rütteln. Allerdings habe sie der Schausteller-Branche Erleichterungen in Aussicht gestellt, berichtet das Hamburger Nachrichtenmagazin. Sie wolle sich bei Finanzminister Schäuble dafür einsetzen, dass die Unternehmen des Gewerbes während der Saison künftig Kost und Logis für ihre Beschäftigten auf den Mindestlohn anrechnen können. Entsprechende Regelungen gibt es bereits für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe) angesichts der Kritik an der Arbeitszeiterfassung von einer "jammernden" Unternehmer-Lobby. Die SPD werde nicht zulassen, dass laut Gesetz zwar 8,50 Euro pro Stunde Mindestlohn gezahlt werden müssen, die Stunde in manchen Unternehmen aber plötzlich 90 Minuten habe.

Finanzminister Schäuble sagte dem Nachrichtenportal "Welt online": "Wenn wir in Deutschland mehr Personal im Sicherheitsbereich brauchen, würde ich, zum Beispiel, darüber diskutieren, ob wir wirklich so viel Personal bei der Kontrolle eines im internationalen Vergleich sehr komplizierten Mindestlohns brauchen oder ob wir nicht sagen, andere Prioritäten wie die Polizei sind jetzt wichtiger." Die Zahlung des seit 1. Januar geltenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde und die entsprechenden Dokumentationen durch die Arbeitgeber werden vom Zoll kontrolliert. Dazu hat die Bundesregierung 1.600 neue Mitarbeiter vorgesehen.

Nahles appellierte im "Tagesspiegel" an den Koalitionspartner, stolz zu sein auf das Erreichte und sich "nicht vom ersten Gegenwind verunsichern" zu lassen. SPD und Union hätten "zusammen eine der größten Sozialreformen der Geschichte auf den Weg gebracht".

Unsicherheiten gebe es bei der Frage, wie in Sportvereinen mit dem Mindestlohn umzugehen ist, räumte die Ministerin ein: "Beim Ehrenamt gilt er nicht, bei Beschäftigung schon." Deshalb werde sie mit dem Deutschen Fußball-Bund und dem Olympischen Sportbund beraten. Auch sei vielen Arbeitgebern nicht klar, dass Akkordprämien oder Schichtzulagen "nicht als Lohnbestandteil zu werten sind und deshalb zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt werden müssen".