TV-Tipp: "Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel", 25. Januar, 20.15 Uhr im Ersten
Bedienung Rita war Junkie und die Freundin des Toten. In Rückblenden schildert der Film die Ekstase ihrer ersten Begegnungen mit Crystal Meth.

Der "Tatort" beginnt wie ein Horrorfilm: Ein Mann wird in einen Wald gezerrt und enthauptet. Auch mit der Ankunft der Mordkommission ändert sich die Stimmung nicht, im Gegenteil: Die Dörfler wirken wie Gestalten aus jenen Filmen, in denen zurückgebliebene Hinterwäldler zu unvorstellbar grausamen Taten fähig sind. Dieser erste Eindruck ist zwar nicht völlig falsch, weil die Menschen tatsächlich was zu verbergen haben; aber Mörder sind sie nicht. Für ein wenig Abwechslung sorgt in diesen Anfangsminuten allein Hauptkommissar Borowski (Axel Milberg), der seine Kollegin (Sibel Kekilli) mit einer Imitation des Balzgeräusches der Saatkrähe erheitert. Später wird er mit seinem Chef die gruseligen Details des Mordes besprechen, während die beiden genüsslich ein Hühnchen mit Estragon aus dem Römertopf vertilgen.

"Keine Macht den Drogen"

Allein wegen solcher Einfälle sind die "Tatort"-Beiträge aus Kiel immer wieder sehenswert, aber Rolf Basedow, der viele Drehbücher für Filme von Dominik Graf geschrieben hat, darunter die Grimme-preisgekrönten Arbeiten "Polizeiruf 110: Er sollte tot", "Eine Stadt wird erpresst" und "Im Angesicht des Verbrechens", will eigentlich eine ganz andere Geschichte erzählen, und deshalb wandelt sich der Krimi im Mitteldrittel komplett und stellt sich ganz in den Dienst der Botschaft "Keine Macht den Drogen". Hauptdarstellerin dieser langen Passage ist eine junge Frau, die zur wichtigsten Zeugin für Borowski wird: Bedienung Rita war Junkie und die Freundin des Toten. In Rückblenden schildert der Film die Ekstase ihrer ersten Begegnungen mit Crystal Meth. Die Szenen wirken mindestens wie eine Verharmlosung, wenn nicht gar Verherrlichung der Droge, aber dann folgt der gnadenlose Absturz ins Bodenlose.

Ihre große Kraft verdankt diese lange Sequenz Elisa Schlott. Die zwanzigjährige Schauspielerin, die schon mit zwölf an der Seite von Veronica Ferres in dem Zweiteiler "Die Frau vom Checkpoint Charlie" (2007) mitwirkte, hat zwar bereits einige Kameraerfahrung, spielt in diesem "Tatort" aber ihre erste wichtige Hauptrolle und macht das derart famos, dass man durchaus von einem Durchbruch sprechen kann. Ihr offenes, natürliches Spiel erinnert an Anna Maria Mühe, die wiederum eine ihrer wichtigsten Rollen in "Novemberkind" (2008) gespielt hat, dem Spielfilmdebüt von Christian Schwochow, der sich seither mit Werken wie "Die Unsichtbare", "Der Turm" und zuletzt "Bornholmer Straße" zu einem der wichtigsten deutschen Regisseure entwickelt hat. "Borowski und der Himmel über Kiel" ist sein erster Krimi und demzufolge natürlich auch sein erster "Tatort"; gerade in den Drogenszenen, dem Herzstück des Film, stellt er sein großes Talent in der Darstellerführung unter Beweis.

Dass die Auflösung der Krimiebene am Ende ein bisschen konstruiert wirkt, weil der Mord keineswegs von zwei schurkischen Drogendealern begangen wurde, die Basedow und Schwochow so hartnäckig als Täter anbieten, lässt sich angesichts der großen Qualität des restlichen Films verschmerzen. Dank des großartigen Axel Milberg ist der "Tatort" aus Kiel ohnehin unkaputtbar.

Davon abgesehen ist "Borowski und der Himmel über Kiel" allein schon wegen der winterlich düsteren Bildgestaltung (Frank Lamm) bestes Fernsehhandwerk. Die Bilder verbreiten dank der Spritzenszenen sowie verschiedener brutaler Momente einige Male profundes Unbehagen. Den Rest besorgt die mit ihrer Kombination von Musik (Daniel Sus) und Geräuschen ausgesprochen sorgfältig gestaltete Tonspur, und das nicht nur, weil einige Schnitte den Puls hochtreiben.