Einen "heiter-melancholischen Beziehungsreigen" nennt die ARD dieses herausragend gut gespielte Drama; ein fast schon absurd irreführendes Etikett, wenn man weiß, dass es um Beziehungskrisen und einen absehbaren Todesfall geht. Melancholisch stimmt der Film dagegen in der Tat: Das verblüffend abwechslungsreiche Drehbuch von Gabriele Kreis erzählt von drei Beziehungen, die in die Jahre gekommen sind. Die Beteiligten, alle um die sechzig, sind an einem Punkt angekommen, an dem sie sich entscheiden müssen: Augen zu und durch, also so weitermachen wie bisher; oder einen Neuanfang wagen?
Reiz der Alltäglichkeit
Natürlich ist "Ehe in der Krise" als Gegenstand eines Films nicht neu, und "Die Zeit mit Euch" bereichert das Thema auch nicht um originelle Erkenntnisse. Die Überraschung besteht eher darin, dass der Film das offenbar auch gar nicht will. Der Reiz liegt im Gegenteil in der Alltäglichkeit: Die schon viele Jahre miteinander befreundeten drei Ehepaare gehören zwar zur akademisch gebildeten oberen Mittelschicht, führen aber völlig normale und von viel Routine geprägte Beziehungen. Man lebt so vor sich hin und nebeneinander her: Lehrer Heiko (Herbert Knaup) und Antiquarin Vera (Ulrike Kriener), TV-Journalist Paul (Henry Hübchen) und Ex-Stewardess Christiane (Leslie Malton), Personalchefin Marlene (Johanna Gastdorf) und Chefarzt Klaus (Ernst Stötzner). Umso perplexer ist die Runde, als Klaus bei einem Abendessen nicht ganz freiwillig verkündet, er habe seit Jahren eine Geliebte, die nun auch ein Kind von ihm erwarte, weshalb er Marlene verlassen werde. Die Empörung ist groß, aber im Verlauf der Handlung stellt sich raus, dass die anderen auch nicht ohne sind.
Obwohl "Die Zeit mit Euch" unverhofft handlungsreich ist, weil sich nach und nach ein regelrechter Beziehungsreigen ergibt, inszeniert der vielfach ausgezeichnete Stefan Krohmer ("Ende der Saison", "Dutschke") den Film auffällig zurückhaltend; fast hat es den Anschein, er habe durch keinerlei Besonderheiten bei der Bildgestaltung (Manuel Mack) von den Leistungen der exzellenten Darsteller ablenken wollen, die nicht nur ihre individuelle Klasse beweisen, sondern auch ein großartiges Ensemble sind. Die Herausforderung bei der Besetzung bestand ja nicht allein darin, drei glaubwürdige Paare zu bilden. Das Sextett muss außerdem als Freundeskreis überzeugen und darüber hinaus auch das eine oder andere Wechselspiel zulassen. Deshalb ist der gruppendynamische Prozess nicht minder interessant als die Entwicklung innerhalb der Beziehungen: Paul ist pensioniert und scheitert auf ganzer Linie am Lebensabend, was Hübchen sehr bauchbetont verkörpert; kein Wunder, dass Christiane angesichts des trägen und sich gehen lassenden Gatten irgendwann das Weite sucht. Vera wiederum betrachtet die Trennung von Klaus und Marlene als mahnenden Wink des Schicksals und beendet ihr Verhältnis, was nichts daran ändert, dass Heiko zur tragischen Figur der Geschichte wird. Der Filmtitel ist nicht explizit auf ihn bezogen, doch die implizierte Abschiedsstimmung passt perfekt zu seiner Perspektive.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Gabriele Kreis hat zuletzt mit "Die zertanzten Schuhe" und "Die kluge Bauerntochter" zwei der schönsten ARD-Weihnachtsmärchen und darüber hinaus die kurzweilige Komödie "Weihnachten ... ohne mich, mein Schatz!" (auch mit Hübchen) geschrieben. Es überrascht daher nicht, dass der Grundton der Geschichte zwar nicht heiter, aber dennoch von einer gewissen Gelassenheit geprägt ist; und wie sich am Ende der Kreis schließt, als sich der um zwei Personen erweiterte Reigen erneut zum Essen trifft, ist sehr hübsch eingefädelt. Darüber hinaus ist der Film exemplarisch für die neue Philosophie der ARD-Tochter Degeto; vor zwei Jahren wäre ein derart anspruchsvolles Werk an einem Freitagabend um 20.15 Uhr undenkbar gewesen.