Eine Einstufung der betroffenen Asylbewerber als "flüchtig" und eine Verlängerung der Abschiebefrist von sechs auf 18 Monate würden wahrscheinlich dazu führen, dass Gemeinden aufgrund der hohen Belastung keine Kirchenasyle mehr gewährten, sagte er am Freitag in Groß-Gerau. Jung ist auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
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Die Zahl der Kirchenasyle in Deutschland ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" weiß von gegenwärtig mindestens 190 Fällen mit 357 Personen, unter ihnen 119 Kindern. Die Behörden sehen die Praxis zunehmend kritisch und wollen die Bedingungen für die Betroffenen verschärfen. Darüber hatte am Dienstag das ZDF-Magazin "Frontal 21" unter Berufung auf Pläne einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe berichtet.
Jung sagte, die Verschärfung sei nicht notwendig, da die Zahl der Kirchenasyle in Deutschland angesichts der dramatischen Flüchtlingssituation weltweit gering sei. In Hessen sei die Zahl seit zwei Monaten sogar rückläufig. Der Kirchenpräsident kündigte an, dass die Pläne auch Thema eines Treffens zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sein würden, das wahrscheinlich im kommenden Frühjahr stattfinde.
EKD-Migrationsbeauftragter besucht iranische Flüchtlinge in Groß-Gerau
Der geistliche Leiter der hessen-nassauischen Kirche besuchte eine iranische Familie, die in der Kirchengemeinde Groß-Gerau Süd Kirchenasyl erhalten hat. Dem Ehepaar Amir und Sara und ihrem vierjährigen Sohn werde seit dem 16. September Schutz in ihren Räumen gewährt, weil ihnen die Abschiebung nach Italien gedroht habe, sagte Gemeindepfarrer Jürgen Fuge. Das Kirchenasyl sei erfolgreich gewesen, denn inzwischen habe sich Deutschland für das Asylverfahren zuständig erklärt. Außerdem könne die Familie Anfang des neuen Jahres in eine eigene Wohnung umziehen.
Da nach den europäischen Bestimmungen dasjenige EU-Land für einen Asylantrag verantwortlich ist, das den Flüchtlingen die Einreise ermöglicht hat, drohte den Iranern noch bis Anfang November die Abschiebung nach Italien. "Dort hätte die Obdachlosigkeit gedroht", sagte Fuge. Jung dankte der Gemeinde für ihr Engagement. Das Kirchenasyl sei eine hoch belastete Situation für Helfer und Flüchtlinge und werde nur in ganz konkreten, begründeten Einzelfällen gewährt. Der Kirchenpräsident dankte aber auch der Politik, dass sie dieses Instrument der "Nothilfe und des Beistands zur Durchsetzung eines Menschenrechts" akzeptiere.
Zudem machte Jung deutlich, dass Gemeinden, wenn sie Kirchenasyl gewähren, nicht den Rechtsstaat infrage stellten. "Wir machen keine Werbung für das Kirchenasyl", betonte er. Der Einsatz für Schutz und Recht für Flüchtlinge sei ein "christliches Grundanliegen". Die hessen-nassauische Kirche bietet derzeit nach eigenen Angaben 14 Menschen Kirchenasyl.