"Dort, wo die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nicht mehr erlaubt ist, gilt dies für Hessen sofort", sagte der hessische Sozialstaatssekretär Wolfgang Dippel (CDU) am Donnerstag in Wiesbaden. Die nordrhein-westfälische Landesregierung kündigte an, die geltende Landesverordnung zur Sonntagsarbeit zu überprüfen. In der evangelischen Kirche und in den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und Grünen stieß das Urteil auf Zustimmung.
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Das Bundesverwaltungsgericht hatte am Mittwochabend der Sonntagsarbeit Grenzen gesetzt. So dürfen an Sonn- und Feiertagen zunächst in Hessen keine Videotheken und öffentlichen Bibliotheken mehr öffnen, zudem wurde Call-Centern sowie Lotto- und Toto-Gesellschaften der Betrieb an den geschützten Ruhetagen untersagt. Die Arbeit in diesen Branchen sei am Sonn- und Feiertag nicht nötig, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen, urteilten die Leipziger Richter. (AZ: BVerwG 6 CN 1.13)
Das Urteil gilt zunächst für Hessen, dürfte aber weitreichende politische Folgen haben. Die Ausnahmen hatte die hessische Landesregierung in einer sogenannten Bedarfsgewerbeverordnung festgehalten, die mit dem Leipziger Urteil in Teilen für unwirksam erklärt wird. Ähnliche Verordnungen gibt es auch in den meisten anderen Bundesländern.
"Das Urteil wird Folgen für alle anderen Länder haben", sagte Staatssekretär Dippel. Deshalb sei es sehr wahrscheinlich, dass sich auch der Bundesgesetzgeber mit diesem Thema befassen werde. Der Staatssekretär wies darauf hin, dass das Urteil "sehr ausdifferenziert" sei. Die Frage nach der Beschäftigung von Arbeitnehmern in der Speiseeis- und Getränkeindustrie an Sonntagen sei an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen worden.
Evangelische Kirche und Parteien begrüßen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes
Nordrhein-Westfalen kündigte eine Überprüfung der im bevölkerungsreichsten Bundesland geltenden Regeln an. "Auch in der NRW-Verordnung gibt es eine Ausnahme für Call-Center", sagte ein Sprecher des Arbeitsministeriums der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe). Deshalb werde jetzt die Urteilsbegründung abgewartet. Sollten Änderungen nötig werden, werde sich NRW wahrscheinlich für eine bundesweit einheitliche Lösung aussprechen. "Im Ergebnis wäre dann zu prüfen, ob statt einer Anpassung einzelner Bedarfsgewerbeverordnungen der Länder eine Regelung im Arbeitszeitgesetz des Bundes angezeigter wäre."
Der Leipziger Richterspruch habe den Sonn- und Feiertagsschutz gestärkt, sagte der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, am Donnerstag in Hannover. Der Schutz der Sonn- und Feiertage reiche über den Schutz des Religiösen hinaus. Möglichst wenige Arbeitnehmer sollten am Sonntag arbeiten müssen. Bloßes Wirtschafts- und Wettbewerbsinteresse habe dahinter zurückzustehen. Dieser Maßstab müsse für die rechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder zum Sonntagsschutz gelten, folgerte Anke.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Strobl, sprach von einem "Sieg" für den Sonntagsschutz. Der Mensch sei nicht nur Konsument, sondern habe auch religiöse und soziale Bedürfnisse. Daher genieße der Sonntag aus religiösen und sozialen Gründen verfassungsrechtlichen Schutz.
Als ein gutes Signal für die Beschäftigten wertete die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke (Grüne) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes: "Es war dringend geboten, der Arbeit an Sonn- und Feiertagen Grenzen zu setzen." Arbeitsverdichtung und entgrenzte Arbeitszeiten machten die Menschen krank. Die Leipziger Entscheidung sei wegweisend für die anderen Bundesländer, hob die Grünen-Politikerin hervor. Diese müssten ebenfalls dafür sorgen, dass der Sonntagsschutz endlich wieder geschützt und eingehalten werde.