Für geistig behinderte Menschen ist der Weg zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nach Einschätzung der Bevölkerung noch weit. Das zeigt eine repräsentative Allensbach-Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigung Lebenshilfe, die die Organisation am Donnerstag in Berlin veröffentlichte. Demnach hat jeder fünfte Bürger Kontakt zu Menschen mit einer geistigen Behinderung. Nur wenige Befragte glauben, dass Menschen mit geistiger Behinderung "selbstständig" oder "gut integriert" (jeweils 18 Prozent) sind.
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Aus Sicht der Befragten sind Menschen mit geistiger Behinderung in erster Linie "hilfsbedürftig" (88 Prozent). An zweiter Stelle folgt mit 57 Prozent der Begriff "lebensfroh", knapp dahinter liegen "ausgegrenzt" und "Mitleid" mit jeweils 56 Prozent. Jeder zweite Bürger bekennt, Berührungsängste zu haben.
Die Bevölkerung ist ganz überwiegend der Auffassung, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Bei der Freizeitgestaltung (Sport, kulturelle Aktivitäten) meinen immerhin 19 Prozent der Befragten, dass dies uneingeschränkt möglich ist. Die große Mehrheit (62 Prozent) glaubt, dass die Teilhabe in diesem Bereich nur eingeschränkt möglich ist.
Ein ähnliches Bild ergibt sich für das selbstständige Wohnen, den Besuch einer regulären Schule, eigenständige Urlaubsreisen oder die Teilnahme am regulären Arbeitsleben. In diesen Bereichen halten jeweils vier bis neun Prozent der Bevölkerung die uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung am gesellschaftlichen Leben für möglich.
"Die persönliche Situation von Menschen mit geistiger Behinderung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen jedoch, dass bei der umfassenden gesellschaftlichen Teilhabe noch erheblicher Nachholbedarf besteht", sagte Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Bundestagsvizepräsidentin, bei der Vorstellung der Studie. Daher müsse das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bundesteilhabegesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
Die Umfrage greift auch die Diskussion um schulische Inklusion von Kindern mit geistiger Behinderung auf. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung (71 Prozent) ist der Auffassung, dass der Besuch einer speziellen Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung am besten sei. Auf die Frage, wer letztlich darüber entscheiden sollte, ob ein Kind mit einer geistigen Behinderung auf eine Regelschule oder eine Förderschule gehen sollte, plädiert eine relative Mehrheit der Bevölkerung (42 Prozent) für den Elternwillen. Die Allensbach-Untersuchung stützt sich auf 1.574 Interviews, die zwischen dem 14. und 26. August geführt wurden.