Streit um Joachim Gaucks Bedenken gegen linken Ministerpräsidenten

Streit um Joachim Gaucks Bedenken gegen linken Ministerpräsidenten
Der Bundespräsident äußert Bedenken gegenüber der geplanten Wahl eines Regierungschefs der Linken in Thüringen. Die Partei ist empört. Andere fragen, ob das Staatsoberhaupt sich da überhaupt einmischen darf.

Vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls hat Bundespräsident Joachim Gauck mit Kritik an der geplanten linksgeführten Regierungskoalition in Thüringen eine neue Debatte um Vergangenheitsbewältigung angestoßen. "Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren", sagte Gauck mit Blick auf die wahrscheinliche Wahl Bodo Ramelows (Linkspartei) zum Ministerpräsidenten. Die Partei reagierte empört. Unterstützung erhielt Gauck unter anderem vom Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn.

In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", die am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte sagte Gauck, die Wahlentscheidung in Thüringen sei zu respektieren. Es stelle sich aber die Frage: "Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können". Es gebe Teile in der Partei, wo er Probleme habe, "dieses Vertrauen zu entwickeln", sagte das Staatsoberhaupt. Die Sondierungsgespräche in Thüringen waren begleitet von einer Debatte darum, ob die Linkspartei die DDR als Unrechtsstaat bezeichnen würde.

Sagen, was viele denken oder Zurückhaltung?

Ramelow wehrte sich gegen die Äußerungen: "Ich kommentiere den Bundespräsidenten nicht. Dass jedoch ein evangelischer Pfarrer vor einem Altar mit brennenden Kerzen mich als Mitchrist negiert, das berührt mich unangenehm", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montagsausgabe). "Ich stelle mich gerne allen kritischen Anfragen und streitbaren Diskussionen." Das Fernsehinterview mit Gauck wurde in der Berliner Gethsemane-Kirche aufgezeichnet.

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Auch die Parteichefin der Linken, Katja Kipping, kritisierte Gaucks Äußerungen. Zweifel an der demokratischen Gesinnung der Mitglieder und Wähler der Linkspartei weise sie zurück, sagte sie der "Bild am Sonntag". Gaucks Autorität sei beschädigt, sobald er sich dem Verdacht aussetze, Parteipolitik zu machen, ergänzte sie.

Der SPD-Vize Ralf Stegner rügte ebenfalls den Bundespräsidenten. In strittigen Fragen der aktuellen Parteipolitik sei Zurückhaltung klug und geboten, "zumal die Amtsautorität des Staatsoberhauptes auf seiner besonderen Überparteilichkeit beruht", sagte Stegner dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Auch Grünen-Chefin Simone Peter forderte Gauck in der Tageszeitung "Die Welt" (Montagsausgabe) zu parteipolitischer Neutralität auf.

Dagegen äußerte Parteichef Cem Özdemir Verständnis: "Der Bundespräsident hat nur gesagt, was viele denken, die das Unrecht, das in der DDR vorherrschte, zum Teil noch am eigenen Leib erfahren haben", sagte er der "Leipziger Volkszeitung" (Montagsausgabe). "Das sollte man ernst nehmen."

CSU unterstützt Gauck

Unterstützung erhielt Gauck auch von der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. "Mir geht es genauso wie dem Bundespräsidenten", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Montag.  "Ich tue mich sehr schwer mit der Vorstellung, dass im 25. Jahr des Mauerfalls die SED-Erben in Thüringen demnächst den Ministerpräsidenten stellen könnten."

Nach den Worten des Stasi-Unterlagen-Beauftragten Jahn empfinden SED-Opfer einen Ministerpräsidenten der Linken in Thüringen "als eine Verletzung". Sie hätten "die SED, PDS, Linkspartei nicht als eine Partei erlebt, die sich wirklich ihrer geschichtlichen Verantwortung gestellt hat", sagte Jahn der Ostsee-Zeitung (Montag).

Am nächsten Wochenende wird in Berlin mit einem großen Fest an den Mauerfall vor 25 Jahren, am 9. November 1989, erinnert. Mit Blick auf das Jubiläum würdigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die damaligen Bürgerrechtler. Sie hätten Mut bewiesen, Mut gemacht und Risiken in Kauf genommen, sagte die Regierungschefin in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast: "Sie waren im Grunde die Ermutiger für die vielen Hunderttausend und Millionen, die sich dann angeschlossen haben - zum Beispiel bei den friedlichen Montagsdemonstrationen."