Jeder zweite Behinderte hat schlechte Arbeitsbedingungen

Jeder zweite Behinderte hat schlechte Arbeitsbedingungen
Viele Behinderte beklagen außerdem mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit durch Vorgesetzte und fühlen sich bei der Arbeit gehetzt. Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung rief Politik und Wirtschaft auf, die Bedingungen zu verbessern.

Die Arbeitsbedingungen für Behinderte in Deutschland sind oft mangelhaft: In einer Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gab knapp die Hälfte (47 Prozent) aller Beschäftigten mit Behinderung an, an einem nicht entsprechend ausgestatteten Arbeitsplatz arbeiten zu müssen. Zudem fühlten sich Behinderte stärker als der Gesamtdurchschnitt aller Arbeitnehmer bei der Arbeit gehetzt und von den Vorgesetzten nicht ausreichend anerkannt, sagte ver.di-Vorstandsmitglied Eva Welskop-Deffaa am Donnerstag bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin.

In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt 7,5 Millionen schwerbehinderte Menschen. Damit ist fast jeder Zehnte (9,4 Prozent) schwerbehindert. Insgesamt 60 Prozent der Behinderten gaben in der Befragung an, sich sehr häufig oder oft unter Zeitdruck zu fühlen und gehetzt arbeiten zu müssen. Bei den Beschäftigten insgesamt liegt dieser Wert bei 56 Prozent.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Frage, ob der Vorgesetzte gar nicht oder nur in geringem Maße Wertschätzung vermittle: 39 Prozent der Behinderten bejahten dies, die Vergleichszahl bei allen Beschäftigten liegt nur bei 33 Prozent. "Die tatsächlichen Arbeitsbedingungen sind weit davon entfernt, gute Arbeit für Menschen mit Beeinträchtigungen zu gewährleisten", unterstrich die Gewerkschafterin.

Mehr als die Hälfte der Behinderten (52 Prozent) geht davon aus, ihre jetzige Arbeit unter den derzeitigen Anforderungen wahrscheinlich nicht bis zum gesetzlichen Rentenalter ausüben zu können. Zugleich empfänden Behinderte ihren Arbeitsplatz als überaus sinnstiftend, hieß es. Mit 81 Prozent Zustimmung liege für sie der "Sinn der Arbeit" sehr hoch und über dem Gesamtdurchschnitt, sagte Welskop-Deffaa.

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Die Bedingungen für Behinderte seien dort deutlich besser, wo es Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben gebe. Dies sei gegenwärtig in sechs von zehn Betrieben der Fall. Welskop-Deffaa und die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, forderten deshalb eine möglichst hohe Beteiligung an den Wahlen zu den Schwerbehindertenvertretungen vom 1. Oktober bis 30. November.

Bentele mahnte mehr Anstrengungen von Politik und Wirtschaft an, Behinderte in Beschäftigung zu bringen und ihnen entsprechend ausgestaltete Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Behinderte seien deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Nichtbehinderte. Auch angesichts des wachsenden Fachkräftemangels müssten Behinderte einbezogen werden, sagte Bentele.

Voraussetzungen für einen barrierefreien Zugang zur Arbeit seien technische und personelle Unterstützung sowie entsprechende Arbeitsstrukturen, betonte Bentele. Häufig scheiterten Behinderte, wenn etwa eine neue nicht barrierefreie Software im Unternehmen eingeführt oder ein neues Bürogebäude ohne Rampe bezogen werde.

Bei der regelmäßig erhobenen DGB-Repräsentativbefragung "Gute Arbeit" war erstmals speziell nach der Arbeitssituation Behinderter gefragt worden. Anlass war der fünfte Jahrestag des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland im März dieses Jahres.