Der Text erzähle keine "einseitige Jubelgeschichte" der Reformation und deren Wirkungen, schreibt der Fundamentaltheologe Magnus Striet in einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (Septemberausgabe). Es sei abwegig, ihm eine verherrlichende Tendenz sowie mangelnde Selbstkritik vorzuwerfen. Striet bemängelt zugleich theologische Defizite in dem EKD-Papier.
Das im Mai veröffentlichte 112-seitige Dokument hatte eine heftige Diskussion ausgelöst. Fachleute beleuchten darin mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 die Grundlagen der Theologie von Martin Luther (1483-1546), in deren Zentrum die Rechtfertigungslehre steht. Kritiker hielten der EKD daraufhin ein einseitiges und dogmatisches Reformationsverständnis vor. Von katholischer Seite wurde eingewandt, das Dokument berücksichtige zu wenig die Erträge der ökumenischen Gespräche in den vergangenen Jahrzehnten.
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Striet äußert die Mutmaßung, hinter der katholischen Kritik an dem Papier drücke sich "nichts anderes als das Unbehagen an der gegenwärtigen Gesellschaft und deren Kultur" aus. Einigen falle es noch immer schwer, Freiheit als Grundprinzip einer modernen Lebensführung zu akzeptieren. "Von daher findet sich in dieser Kritik ein Spiegelbild innerkatholischer Auseinandersetzungen", schreibt der in Freiburg lehrende Fundamentaltheologe. Er bezweifelte, dass ein protestantisches Programm, wie es in dem EKD-Text entfaltet wird, ökumenisch unvereinbar sei, wie von katholischer Seite geäußert.
Kritisch merkt der Wissenschaftler an, das Papier verwende ähnlich "fatale" Formulierungen wie die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999. Demnach dürfe der Glaube "keine freie Entscheidung des Menschen" sein. Wenn aber allein Gott den Glauben bewirke, gebe es nur zwei Möglichkeiten, schreibt Striet: Entweder sei auch der Unglaube von Gott bewirkt. "Oder aber Gott wirkt ausnahmslos in allen Menschen den Glauben, dann aber wäre der Unglaube selbst verantwortete Sünde." So werde jenen, die in Glaubensnöten seien, auch noch Sünde vorgehalten. Dies sei "menschlich nicht zu akzeptieren".
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In der Rechtfertigungslehre geht es um die Frage, wie der Mensch Gnade vor Gott findet. Luther prägte die Auffassung, dass der Mensch unabhängig von eigenen Werken ganz auf den Glauben und die rettende Gottesgnade angewiesen ist. Er lehnte die zeitgenössische Vorstellung einer Werkgerechtigkeit ab, die im Ablasswesen bis hin zur Käuflichkeit des Heils reichte. Auch die katholische Seite hatte sich im Konzil von Trient (1545-1563) von dieser Position verabschiedet. In der Erklärung von 1999 hielten Lutheraner und Katholiken fest, in dieser Frage gebe es keine kirchentrennenden Gegensätze mehr. Die früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen seien hinfällig.