Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte, Deutschland verliere einen der letzten großen journalistischen Welterklärer. Unter anderem durch seine Bildung, insbesondere der profunden Kenntnis des Islam und der arabischen Welt, seiner Jahrzehnte langen Zeitzeugenschaft und Lebenserfahrung sei er ein herausragender journalistischer Beobachter mit Weltgeltung gewesen.
Bekannt wurde Scholl-Latour, der am 9. März 1924 in Bochum geboren wurde, vor allem mit seinen Fernseh-Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten von Vietnam über den Iran bis zu Afghanistan. "Als meinungsstarker Fernsehjournalist an allen Brennpunkten der Welt, haben ganze Generationen die Welt mit seinen Augen gesehen", erklärte Grütters in Berlin. Er habe zum Verständnis anderer Kulturen und damit zur Völkerverständigung beigetragen. "Seine Lust und Neugier an der Welt, am Einordnen und Querdenken, werden uns sehr fehlen."
Der Sohn deutsch-französischer Eltern wurde 1945 von der Gestapo verhaftet, als er versuchte, sich Titos Partisanenarmee in Jugoslawien anzuschließen. Nach dem Krieg ging er zunächst zur französischen Armee. Ab 1948 studierte Scholl-Latour in Mainz und Paris Philologie und Politikwissenschaft, ab 1956 Arabistik und Islamkunde in Beirut.
Seine journalistische Laufbahn begann 1948 mit dem Volontariat bei der "Saarbrücker Zeitung". 1954/55 war er Regierungssprecher im Saarland, bevor er zum Fernsehen wechselte. Für die ARD war Scholl-Latour von 1960 bis 1963 zunächst als ständiger Afrika-Korrespondent tätig, anschließend leitete er sechs Jahre das ARD-Studio in Paris. Von 1969 bis 1971 war er Programmdirektor beim WDR-Fernsehen und führte in dieser Zeit etwa das Schulfernsehen und die "Lach- und Sachgeschichten", das Vorläuferprogramm der "Sendung mit der Maus", ein.
1971 wechselte Scholl-Latour als Chefkorrespondent zum ZDF. Er reiste unter anderem nach Vietnam, Kambodscha, China, Afghanistan und in den Iran. Von 1975 bis 1983 leitete er zudem das Pariser ZDF-Studio. Von 1983 bis 1984 war er Chefredakteur des Magazins "Stern", anschließend war er als Publizist und Autor von Dokumentarfilmen und zahlreichen Büchern tätig. Er war ein gefragter Ansprechpartner in Fernsehdiskussionen für die Themenbereiche Islam und Naher Osten. Für seine journalistische Arbeit erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den ersten Henri-Nannen-Preis (2005).