Experten warnen weiter vor der Strahlung aus Fukushima

Experten warnen weiter vor der Strahlung aus Fukushima
Ein Jahr nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima sehen Experten die dortige Bevölkerung weiterhin gravierenden Gesundheitsgefahren ausgesetzt. Zugleich begrüßten Umweltorganisationen am Freitag anlässlich des ersten Jahrestages der Reaktorkatastrophe vom 11. März 2011 den faktischen Ausstieg Japans aus der Kernenergie.

Zum Jahrestag der Dreifachkatastrophe in Nordjapan - Erdbeben, Tsunami, Kernschmelze - betonte Bundesratspräsident Horst Seehofer (CSU) in einem Brief an den japanischen Kaiser Akihito, das Leid der Menschen in Japan sei in Deutschland nicht vergessen. Japan kämpft noch immer mit den Folgen des 11. März 2011. Noch immer sind die Aufräumarbeiten nicht vollends abgeschlossen, und die Strahlung aus Fukushima macht Experten noch immer Sorge.

Nach Angaben der "Ärzte gegen den Atomkrieg" (IPPNW) leben in Japan weiterhin rund 70.000 Menschen, darunter 9.500 Kinder, in einem 870 Quadratkilometer großen hoch radioaktiv verstrahltem Gebiet außerhalb der Evakuierungszone. IPPNW stützt sich auf Untersuchungen des französischen Instituts für Strahlensicherheit IRSN. Demnach waren die Menschen dort im Jahr 2011 einer Strahlendosis von bis zu 200 Millisievert ausgesetzt. Das entspreche dem Zweihundertfachen der natürlichen Hintergrundstrahlung.

Die Menschen müssten aus den verstrahlten Gebieten evakuiert werden, forderte IPPNW. Ansonsten sei wie in den hoch kontaminierten Zonen um Tschernobyl mit einer extrem hohen Krebsrate, Fehlgeburten, Missbildungen und genetischen Erkrankungen bei Neugeborenen zu rechnen. Eine weitere große Gefahr für die Gesamtbevölkerung Japans stellten die vielen radioaktiv verseuchten Lebensmittel dar.

"Die Stimmung ist gekippt"

Von einstmals 54 Atommeilern in Japan sind nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und von Greenpeace nur noch zwei in Betrieb. Diese sollen im Mai vom Netz gehen. Wenn nicht andere Kernkraftwerke wieder eingeschaltet würden, werde Japan ab diesem Zeitpunkt völlig ohne Atomenergienutzung auskommen, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

Ursache für die Schnelligkeit Japans beim Atomausstieg ist nach Angaben des BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger der Bewusstseinswandel in der japanischen Gesellschaft: "Die Stimmung ist gekippt, insbesondere unter den Jüngeren", sagte Weiger. Regierung und Atomwirtschaft hätten einen "massiven Vertrauensverlust" erlitten.

Den deutschen Atomausstieg bezeichnete Weiger als unumkehrbar. Allerdings sehe er mit Sorge, wie das Thema langsam aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinde. Dies machten sich "alte Seilschaften" zunutze, die "die Entschleunigung des Atomausstiegs" propagierten. Dies zeige sich aktuell etwa in der Art und Weise, wie die Solarstromförderung gekürzt werde.

Zuhause aussteigen, im Ausland fördern?

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir kritisierte unterdessen die nach seiner Auffassung schleppende Energiewende in Deutschland. Er warf der Bundesregierung in einem Interview der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (Freitagsausgabe) vor, durch ihren Kurs der Wirtschaft Planungssicherheit in dem Bereich alternativer Energien zu verweigern. Der Grünen-Politiker kritisierte insbesondere den "Versuch, die Solarindustrie und damit 130.000 Arbeitsplätze quasi abzuwickeln".

Die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland nutzt den Fukushima-Jahrestag, um auf die Mängel an den deutschen Meilern hinzuweisen. Die neun Reaktoren seien "alles andere als sicher", erklärte die Anti-Atom-Initiative "ausgestrahlt". Seit Jahrzehnten würden sie nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Attac Deutschland wirft der Bundesregierung Doppelzüngigkeit in der Atompolitik vor, da sie in Deutschland aus der Atomkraft aussteige, aber gleichzeitig im Ausland den Bau von Atomkraftwerken fördere. Für Sonntag rief die Anti-Atom-Bewegung zu bundesweiten Demonstrationen auf.

Japan traf am 11. März vergangenen Jahres ein schweres Erdbeben, in dessen Folge ein Tsunami mit einer acht bis 14 Meter hohen Flutwelle ausgelöst wurde. Durch beide Naturkatastrophen wurde das am Meer gelegene Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi schwer zerstört, es kam zur mehrfachen Kernschmelze.

epd