Durchbruch bei der Organspende-Regelung nach 15 Jahren Debatte: Jeder Erwachsene in Deutschland wird künftig regelmäßig per Brief aufgefordert, sich für oder gegen eine Spende nach dem Tod zu entscheiden. Angesichts des drastischen Organmangels soll diese grundlegende Reform die geringe Zahl der Spender spürbar und schnell erhöhen. Einen Zwang zur Entscheidung soll es nicht geben. Bislang müssen die Menschen ihre Bereitschaft zur Spende aus eigener Initiative erklären - per Organspendeausweis oder gegenüber den Angehörigen.
Organspende-Regelung: Minister macht Druck auf Kliniken
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat die Einigung auf neue Regeln zur Organspende begrüßt, will es dabei aber nicht belassen. "Das ist ein starkes Signal", sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Freitag). Zugleich kündigte Bahr an, auch die Krankenhäuser bei dem Thema stärker in die Pflicht nehmen zu wollen.
"Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, um zu erreichen, dass es künftig in jedem deutschen Krankenhaus einen Transplantationsbeauftragten gibt", sagte der Minister. "Hier müssen der Druck und die Verpflichtungen erhöht werden. Es geht darum, in den Kliniken die organisatorischen Voraussetzungen für Organspenden zu verbessern."
Politischer Durchbruch gegen den Mangel an Organspenden
Nach jahrelanger intensiver Debatte mit vielen Rückschlägen erzielten Spitzenvertreter und Fachpolitiker aller im Bundestag vertretenen Fraktionen sowie die Bundesregierung am Donnerstag den Durchbruch. Sobald der geplante Gruppenantrag im Sommer Gesetz geworden ist, sollen die gesetzlichen und privaten Krankenkassen die Menschen schriftlich nach ihrer Spendebereitschaft fragen.
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Man kann dann die Bereitschaft erklären (Ja), sie verneinen (Nein) oder das Anschreiben einfach wegwerfen. Auch die Bereitschaft, nur bestimmte Organe zu spenden, soll man erklären können, zudem soll man bestimmte Organe ausdrücklich ausschließen können. Die Erklärung soll wie bisher auf einem Organspendeausweis aus Papier dokumentiert werden.
Wenn dies technisch möglich ist, soll die Entscheidung auch auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden können. Diesen Eintrag sollen die Versicherten selbst an Terminals etwa beim Arzt vornehmen können. Sie sollen das aber auch ihren Ärzte oder ihrer Krankenkasse überlassen können. Die technischen Möglichkeiten solle die für die Karte zuständige Gesellschaft der Akteure im Gesundheitswesen, die Gematik, bis 2013 entwickeln.
Entscheidung ohne Zwang
Die erste Welle an Aufforderungen zur Entscheidung ohne Zwang soll binnen eines Jahres bis Mitte 2013 komplett verschickt sein. Dann sollen die Bürger den jetzigen Planungen zufolge ab Mitte 2015 und dann im Weiteren alle zwei Jahre auf dieselbe Weise nach ihrer Spendebereitschaft gefragt werden. Die Bürger sollen vor einer Entscheidung umfangreich informiert werden.
"Jeder Organspender ist ein Lebensretter", sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Wichtig sei: "Kein Zwang." Die Zahl der Organspender solle steigen. Dazu sei die Politik gegenüber den rund 12.000 Patienten auf den Wartelisten verpflichtet. "Uns ist wichtig, dass mit der Post die Diskussion auch in die Familien getragen wird", sagte die Grünen-Expertin Elisabeth Scharfenberg.
"Wir wollen die Menschen deutlich öfter mit dem Thema Organspende konfrontieren", sagte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. "Wir hoffen, dass wir damit die Bereitschaft deutlich erhöhen können", sagte die SPD-Expertin Carola Reimann. Ihre Linke-Kollegin Martina Bunge hob hervor: "Es wird immer auch die Möglichkeit geben, die Entscheidung auch auf Papier zu dokumentieren." Die Linke steht der elektronischen Gesundheitskarte kritisch gegenüber.
Auch nach dem gefundenen Kompromiss dürften die Debatten weitergehen. Die Grünen-Politikerin Scharfenberg sagte am Abend der Nachrichtenagentur dpa, sie habe bei dem Thema weiter "Bauchschmerzen". Die Grünen trügen die Einigung mit, aber bei der Gesetzgebung müsse auf den Datenschutz geachtet werden.
Transplantationsgesetz soll Bundestag passieren
Parallel soll das bereits auf den Weg gebrachte Transplantationsgesetz den Bundestag passieren. Damit soll in den Kliniken die Organentnahme vorangetrieben werden. Kritiker der Zustände in deutschen Krankenhäusern halten dies für noch wichtiger, um eine Zunahme an Spenderorganen zu erreichen.
Heute müssen die Menschen ihre Bereitschaft zur Spende aus eigener Initiative erklären. Fast 70 Prozent der Menschen sind laut Umfragen bereit, nach ihrem Tod Organe oder Gewebe zu spenden. Aber nur weniger als 20 Prozent haben ihre Entscheidung in einem Spendeausweis dokumentiert.
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation hatte die Zahl der Organspenden 2010 einen Rekordwert erreicht, ist aber im vergangenen Jahr wieder deutlich zurückgegangen. 2011 spendeten rund 1.200 Menschen nach ihrem Tod Organe - 7,4 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Bereits 1997 hatten mehrere Bundestagsabgeordnete einen Gesetzentwurf zur Organspende eingebracht.