Kirchliche Firma verspekuliert Millionen

Kirchliche Firma verspekuliert Millionen
Ein Skandal um riskante Zinsgeschäfte und möglichen Anlagebetrug erschüttert die rheinische Kirche. Sie muss tief in die Tasche greifen, um ihr Abrechnungsunternehmen zu sichern. Justiz und Kirche ermitteln, die Aufsicht soll verbessert werden.

Riskante Anlagegeschäfte haben ein Unternehmen der Evangelischen Kirche im Rheinland tief in die roten Zahlen gebracht und in der zweitgrößten deutschen Landeskirche Bestürzung ausgelöst. Um die Arbeit ihres Beihilfe- und Bezüge-Zentrums (bbz GmbH) in Bad Dürkheim zu sichern, stellt die rheinische Kirche 20 Millionen Euro zur Verfügung. In dem Fall ermittelt seit Wochen die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts gegen mehrere Beschuldigte, die Landeskirche prüft strukturelle und personelle Konsequenzen.

Präses Nikolaus Schneider nannte es am Montagabend in Düsseldorf bitter, "dass eine Firma, die uns gehört, in ihrem wirtschaftlichen Handeln offenkundig selbst Maß und Ziel aus den Augen und damit viel, viel Geld verloren hat". Das Abrechnungsunternehmen für Gehalts- und Beihilfezahlungen habe Kundengelder branchenüblich auf dem Kapitalmarkt angelegt, erläuterte der oberste Jurist der rheinischen Kirche, Vizepräsident Christian Drägert. Die Geschäftsführung habe sich jedoch "einem Anlagemodell mit weitaus höheren Erträgen zugewandt, als marktüblich bei Zinsen zu erzielen sind", und sich dabei verspekuliert.

Kirchenleitung tauscht Geschäftsführer aus

Die versprochenen Erträge des riskanten Geschäfts blieben aus, wurden aber trotzdem größtenteils in den Bilanzen als Forderung verbucht. Mindestens eine Buchung sei manipuliert worden, um einen Zahlungseingang vorzutäuschen, sagte Drägert. Nach Bekanntwerden der Millionenverluste stellte die rheinische Kirche Strafanzeige gegen mehrere Beschuldigte wegen des Verdachts auf Kapitalanlagebetrug. Gegen einen Beschuldigten soll es weitere Verfahren in Deutschland geben. Die Ermittlungen übernahm die Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern.

Mit 2,8 Millionen Gemeindemitgliedern zwischen Emmerich und Saarbrücken ist die rheinische Kirche die zweitgrößte der 22 evangelischen Landeskirchen. Die Kirchenleitung tauschte außerdem den bbz-Geschäftsführer und die drei Mitglieder des Aufsichtsgremiums, der Gesellschafterversammlung, aus. Sie verfolgt zudem "zivilrechtliche Ansprüche gegen einzelne Personen aus dem Bereich der Gesellschafterversammlung", wie Drägert erläuterte, der den Vorsitz des Aufsichtsgremiums übernahm.

Nach seinen Angaben wurden die Jahresabschlüsse der bbz GmbH seit 2007 "nur eingeschränkt testiert, gar nicht testiert, nicht korrekt aufgestellt und nicht rechtskonform veröffentlicht". Trotzdem sei die Geschäftsführung von der Gesellschafterversammlung teilweise entlastet worden.

Die 20-Millionen-Stütze kommt aus Rücklagen

Die kircheninterne Prüfung betrifft laut Kirchensprecher Jens Peter Iven "alle, die als Kirchenvertreter die Aufsicht führen sollten, ohne Ansehen von Rang und Namen". Erst seit diesem Jahr gibt es einen Aufsichtsrat, in dem auch die Kunden der GmbH vertreten sind, allerdings mit stark eingeschränkten Rechten. Die 20 Millionen Euro zur Stützung des Unternehmens werden einer Rücklage der landeskirchlichen Ebene entnommen, um die Gemeinden und Kirchenkreise der 2,8 Millionen Mitglieder zählenden Landeskirche nicht zu belasten.

Das bbz, das der rheinischen Kirche seit dem Jahr 2000 gehört, hat etwa 90 Mitarbeiter und rund 1.200 Kunden überwiegend aus den Bereichen der kirchlichen und öffentlich-rechtlichen Verwaltung, darunter Banken, Kliniken, Kommunen und Medienunternehmen. Die GmbH bewegt bei den Abrechnungen für ihre Kunden jedes Jahr dreistellige Millionenbeträge. In den Jahren 2009 und 2010 wurden durchschnittlich rund 120.000 Beihilfefälle abgerechnet, hinzu kommen Lohn- und Gehaltsabrechnungen in über 25.000 Personalfällen pro Monat.

Wie es mit dem Unternehmen nun weitergeht, will die rheinische Kirche bis Mitte kommenden Jahres mit Hilfe einer Beratungsfirma entscheiden. Als weitere Konsequenz werde "ein zentral gesteuertes landeskirchliches Controlling für Beteiligungen unserer Kirche an Unternehmen" erwogen, sagte Drägert. Bisher seien die von den Prüfungsgesellschaften vorgelegten Berichte lediglich von den jeweils für die Gremien Zuständigen kontrolliert worden.

epd