Filmkritik der Woche: "Breaking Dawn"

Filmkritik der Woche: "Breaking Dawn"
Unter Schmerzen sollst du gebären: Der vorletzte Teil der Vampir-Saga "Breaking Dawn, Teil 1" enttäuscht mit Blutorgien und folgenlosen Scharmützeln.
22.11.2011
Von Katharina Grimnitz

Das Vorspiel hat ein Ende. In der vierten und vorletzten Folge der Blutsauger-Saga nach den Romanen von Stephenie Meyer vollziehen Teenager Bella und ihr schöner Vampir endlich den Übergang von der platonischen zur körperlichen Liebe. Da Sex vor der Ehe in der Welt der mormonischen Verfasserin ein No-No ist, wird zuerst eine romantische Hochzeit im Wald gefeiert. Dann führt "Breaking Dawn, Teil 1" das Paar in die Flitterwochen in ein luxuriöses Ferienhaus auf einer einsamen brasilianischen Insel und von dort schon ziemlich bald wieder zurück zu den Vampir-Schwiegereltern, denn Bella ist schwanger und todkrank.

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Es war zwar klar, dass der Sex zwischen einer 18-Jährigen und einem 109 Jahre alten Untoten schwierig werden würde, mal abgesehen von der Freigabe ab zwölf Jahren. Dass Regisseur Bill Condon, der etwa mit "Dreamgirls" und der Sexualforscher-Filmbio "Kinsey" ein farbiges Repertoire aufweisen kann, so getreu Meyers Text folgt und diesen Moment, auf den die Leserinnen mutmaßlich hinfiebern, so lasch abhakt, war dennoch nicht zu erwarten.

Nach dezentem Bettgeflüster liegt am Morgen das Schlafzimmer in Trümmern, und Bella hat ein paar blaue Flecken: Das war's. Statt "faire l'amour" tritt das Paar in eine neue Leidensrunde ein. Nicht nur droht das in Bellas Bauch heranwachsende Wesen sie zu zerstören. Sie wird überdies wegen der möglichen Geburt eines Dämons von Werwölfen bedroht.

Der erste Teil des wie in der "Harry Potter"-Serie aufgesplitteten Finales erweist sich als düsterer Überbrückungsfilm und erzählerische Durststrecke. Meist stehen die Vampire mit geschockter Miene um Bellas Krankenbett herum. Kristen Stewart sieht als sieche Märtyrerin wirklich zum Fürchten aus. Ihr Bauch schwillt so gruselig an wie in Missgeburts-Klassikern à la "Rosemaries Baby" oder "Alien".

In der bierernsten Konzentration auf diese Risikoschwangerschaft geht es zu, als habe irgendwer zu viele frühe Filme vom Horrorspezialisten David Cronenberg ("Scanners", "Die Fliege") geschaut. Unerschrocken malt das Epos, in dem Blutsauger zu Sanitätern umgewidmet werden, gynäkologische Blutorgien aus. Taylor Lautner darf als Werwolf Jacob nur einmal seinen Sixpack-Oberkörper auspacken, ist aber immer noch vitaler als Edel-Vampir Robert Pattinson als hilfloser Händchenhalter.

Zwischen Religiosität und Hohelied weiblicher Selbstbestimmung

Bestechend ist andererseits, welche Haken Meyers Fabulierlust zwischen strenger Religiosität und dem Hohelied weiblicher Selbstbestimmung schlägt. So hanebüchen und pervers das Geschehen ist - wieso etwa kann ein Untoter ein Kind zeugen, oder warum hat keiner ein Kondom mitgebracht? - so elegant wird das eigentlich tödliche Abtreibungsverbot mit Hilfe der größten Baustelle einer gedeihlichen Mensch-Vampir-Beziehung, dem Biss, gelöst.

Die Mär um Bellas Tod und Wiederauferstehung ist nur auf den ersten Blick gaga. Tatsächlich kriegt diese halbe Portion mit der Pose eines schutzbedürftigen Rehs stets, was sie will - und dürfte es auch weiterhin schaffen, Werwölfe und Vampire in Schach zu halten. Nicht umsonst ist das unscheinbare Girlie zur Identifikationsfigur vieler Mädchen aufgestiegen.

USA 2011. Regie: Bill Condon. B: Melissa Rosenberg (nach dem Roman von Stephenie Meyer). Mit: Kristen Stewart, Nikki Reed, Robert Pattinson, Taylor Lautner, Dakota Fanning, Kellan Lutz. 115 Min. FSK: ab 12, ff.

epd