Rund zwei Wochen vor den Wahlen im Kongo schlagen Menschenrechtler Alarm. Die Gewalt in dem zentralafrikanischen Land nimmt zu, und die Parteien lassen es an Fairness fehlen. So erklärte sich ein Oppositionskandidat, Etienne Tshisekedi, bereits zum Sieger. Und die Präsidenten- und Parlamentswahlen am 28. November drohen schon allein wegen der immensen organisatorischen Probleme, im Chaos zu enden.
Die Vereinten Nationen beklagen, dass Menschenrechtsverletzungen drastisch zunehmen. "Das von uns beobachtete Ausmaß der Einschüchterungen, Drohungen, Aufwiegelungen, willkürlichen Festnahmen und Gewaltakte ist inakzeptabel und verunsichert die Wähler in höchstem Maße", sagt UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay. Hinter den meisten Übergriffen steckten die kongolesische Polizei und der Geheimdienst.
Präsident Kabila will sein Amt behalten
So gehen bewaffnete Polizisten mit Gewalt gegen Wahlkampfveranstaltungen der Opposition vor, besonders im Osten des Landes. Der Geheimdienst habe zudem Bürger vorgeladen, weil sie bei politischen Veranstaltungen angeblich "unpatriotische" Fragen gestellt hatten, erfuhren die UN-Experten.
Präsident Joseph Kabila ist entschlossen, sein Amt zu verteidigen. Es sind die zweiten Wahlen nach Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs 2003. Zu den aussichtsreichsten unter den elf Gegenkandidaten gehört neben Tshisekedi auch Vital Kamerhe, beides ehemalige Minister unter dem Diktator Mobutu Sese Seko.
"Die Stimmung vor den Wahlen ist aufgeheizt", sagt der Leiter der kongolesischen Wahlkommission, Bile Bouah Mathieu, der von den UN eingesetzt wurde. Die Vorbereitungen für den Urnengang verliefen problematisch."Es werden bei weitem keine perfekten Wahlen sein", sagte er in Kinshasa. Dafür seien die Herausforderungen zu groß. In dem Land von der Größe Westeuropas werden 180.000 Wahlurnen gebraucht, und die Wahlunterlagen wiegen Tonnen. Insgesamt 19.000 Bewerber kandidieren bei den Parlamentswahlen.
Mathieu kann nicht beschwören, dass die Wählerlisten fehlerfrei sind, aber die Wahlkommission habe ihr Möglichstes getan, sagt er. Dennoch hätten sich in den Hochburgen der Opposition viele Stimmberechtigte nicht registrieren lassen können. Weite Teile der Demokratischen Republik Kongo mit ihren 70 Millionen Einwohnern und ausgedehnten Tropenwäldern verfügen über keinerlei Infrastruktur. Sie sind nur per Hubschrauber zu erreichen - auch das macht die Wählerregistrierung schwierig.
Kein Kandidat ist bereit, eine Niederlage zu akzeptieren
Vor fünf Jahren bei den ersten demokratischen Wahlen nach Jahrzehnten der Diktatur und des Bürgerkriegs waren rund 25 Millionen Kongolesen stimmberechtigt. Beobachter kritisierten damals, auch manche bereits Gestorbene und Ausländer seien in die Wählerlisten gelangt. Für die diesjährigen Wahlen sind immerhin 32 Millionen im Register verzeichnet.
Die 62.000 Wahllokale werden lediglich einen Tag von 7 Uhr früh bis 6 Uhr abends geöffnet sein. Bereits eine Woche später am 6. Dezember sollen die Resultate verkündet werden. "Die Ergebnisse werden sicherlich angefochten werden", glaubt der UN-Wahlleiter. Diplomaten befürchten, dass es dann zu Unruhen in der Hauptstadt Kinshasa kommen könnte. Kaum ein Präsidentschaftskandidat scheint bereit, eine Niederlage zu akzeptieren.
Die Vereinten Nationen könnten mit ihren weniger als 20.000 Blauhelmen im Kongo keine friedlichen Wahlen garantieren, sagt Wahlleiter Mathieu. Vor fünf Jahren war zur Absicherung zusätzlich eine EU-Eingreiftruppe stationiert worden, an der sich auch die Bundeswehr beteiligte. Die Europäische Union unterstützt die Wahlen in diesem Jahr mit 47 Millionen Euro und hat 147 Wahlbeobachter entsandt.