"Ketzerpastor" Schulz scheitert mit Revisionsantrag

"Ketzerpastor" Schulz scheitert mit Revisionsantrag
Der Hamburger "Ketzerpastor" Paul Schulz wird nicht rehabilitiert. Das Spruchkollegium der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands lehnte den Antrag des heute 74-Jährigen auf Wiederaufnahme des 1979 abgeschlossenen Lehrzuchtverfahrens als nicht zulässig ab, wie sich aus der am Montag bekanntgewordenen Entscheidung ergibt.

Schulz war seit 1970 Gemeindepastor an der Hauptkirche Sankt Jacobi in Hamburg. Mit seinen Aussagen, dass er weder an einen persönlichen Gott noch an ein Jenseits glaube, geriet der Theologe in Widerspruch zur kirchlichen Lehre. "Ist Gott eine mathematische Formel?" lautete der Titel seines wohl bekanntesten Buches. 1976 war Schulz von der damaligen Hamburgischen Landeskirche beurlaubt worden, ein Jahr später wurde ein Lehrverfahren gegen den promovierten Theologen angestrengt. An dessen Ende im Februar 1979 verlor Schulz alle Rechte aus der Ordination.

Die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages wird unter anderem damit begründet, dass Schulz kein Mitglied der Kirche sei. Auch habe er kein "Rehabilitationsinteresse" deutlich gemacht, da er eine Wiedererlangung der aberkannten Ordinationsrechte nicht anstrebe. Schulz gehe es nicht darum, die dienstrechtliche Folgen des Lehrverfahrens, nämlich das Ausscheiden aus dem Pfarrdienst, abzuändern, heißt es in dem Beschluss. Schulz habe keine neuen Tatsachen oder Beweise angeführt, die geeignet wären, eine andere Entscheidung zu begründen, argumentiert das Spruchkollegium. "Die bloße Behauptung des Antragstellers, die Meinungslage innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche habe sich geändert, stellt keine solche Tatsache dar."

Im Widerspruch zu Bekenntnisaussagen

Dem Spruchkollegium der lutherischen Kirche gehören unter Vorsitz des Bückeburger Landesbischofs Karl-Hinrich Manzke, sechs weitere Mitglieder an, darunter der Theologieprofessor Eilert Herms (Tübingen), der Kirchenrechtler Heinrich de Wall (Erlangen) und die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner. Das Spruchkollegium leitet die Verfahren bei Lehrbeanstandungen. Zu Lehrverfahren kommt es, wenn ein ordinierter Pfarrer öffentlich in Wort oder Schrift entscheidenden Bekenntnisaussagen der evangelisch-lutherischen Kirche widerspricht. In der evangelische Kirche sind derartige Verfahren wegen der weiten Grenzen des Bekenntnisses äußerst selten.

Im April 2010 beantragte Schulz (Foto: epd-bild / Evelin Frerk) die Aufhebung des 30 Jahre alten Lehrzuchturteils. Den Antrag begründete er damit, dass in der Protestantischen Kirche in den Niederlanden ein Verfahren gegen den atheistischen Pastor Klaas Hendrikse eingestellt wurde. Hendrikse, der mit seinem Buch "Glauben an einen Gott, den es nicht gibt" für Aufsehen in den Niederlanden gesorgt hatte, blieb weiter im Amt. Schulz war nach dem Lehrzuchtverfahren aus der Kirche ausgetreten und hatte die Programmleitung des Hamburger Kulturzentrums "Markthalle" übernommen. 1981 wechselte er ins Management der Hamburger Bavaria-Brauerei, 1995 gründete er die Seniorenakademie Alstertal.

Erst zwei Entlassungen

Theologen mit einer eigenen Sicht auf Christentum und Kirche abseits der offiziellen Lehre hat es immer gegeben. Doch seit 1945 wurden nach Lehrverfahren erst zwei evangelische Seelsorger aus dem Dienst entlassen: Der Württemberger Pfarrer Richard Baumann 1953 und eben Paul Schulz im Jahr 1979. Sogenannte Lehrzuchtverfahren sind in der evangelischen Kirche eine äußerste Maßnahme, wenn Pfarrer dauerhaft mit öffentlichen Äußerungen von der kirchlichen Lehre abweichen. Rechtlich geregelt wurde die Lehrbeanstandung erstmals mit einem Kirchengesetz 1910 in Preußen, dem sogenannten Irrlehregesetz.

Ein erstes Verfahren gegen den evangelischen Kölner Pfarrer Carl Jatho (1851-1913), dem Pantheismus (Allgottlehre) vorgeworfen wurde, endete 1911 mit dessen Amtsenthebung. Der Württemberger Pfarrer Richard Baumann galt als ein "durchaus tüchtiger Pfarrer, dessen Amtsführung in jeder Hinsicht anerkannt" wurde. Er trat allerdings für den Anschluss der evangelischen Kirche an die katholische ein. Die Reformation habe sich durch ihre Absage an das Papsttum am Wort des Herrn vergriffen, argumentierte der Protestant. Der promovierte Theologe Schulz hatte unter anderem den Glauben an einen persönlichen Gott, an die Auferstehung Jesu und an ein Leben nach dem Tod abgelehnt. "Einen persönlichen Gott, der mich hört", gebe es nicht, so das Bekenntnis von Schulz.

Ein anderer Fall ist das Lehrzuchtverfahren gegen die Stuttgarter feministische Theologin und Psychotherapeutin Jutta Voss. Die 1942 geborene Pfarrerin kam allerdings einem Urteilsspruch zuvor und verzichtete 1993 von sich aus auf ihre Ordinationsrechte und schied aus dem Dienst der Landeskirche aus. "Der Jesus von Frau Voss ist nicht der Jesus des Neuen Testaments", warf ihr die württembergische Kirche vor. Der Streit hatte sich an dem Buch "Das Schwarzmond-Tabu" entzündet, in dem Voss Parallelen zwischen der weiblichen Menstruation und dem Abendmahl zieht.

epd