Zwar habe es Kommissionen zur Überprüfung der Mitarbeiter und verschiedene Initiativen gegeben, auch die Verstrickungen der Kirche mit der Staatssicherheit zu untersuchen, sagte Poppe in einem epd-Gespräch in Potsdam. "Aber es gibt immer noch viele Defizite."
"Die Konflikte zwischen denen, die der evangelischen Kirche zu große Staatsnähe vorwerfen, und denen, die den Weg der Kirche im Sozialismus gegen jede Kritik verteidigen, sind immer noch nicht ausreichend bearbeitet", sagte Poppe. In der Kirche scheine Versöhnung nicht besser zu gelingen als in anderen Teilen der Gesellschaft. "Das liegt sicher auch daran, dass zu viel unter den Teppich gekehrt wurde und immer noch wird."
Oppositionelles Potenzial der Kirche zu DDR-Zeiten
Die evangelische Kirche in der DDR sei ein schützendes Dach für die Opposition gewesen und habe selbst oppositionelles Potenzial hervorgebracht, betonte Poppe (Bild links, Foto: dpa/Pilick). Zugleich habe es jedoch immer auch Spannungen zwischen der Kirche und oppositionellen Gruppen gegeben, "weil das kirchenleitende Handeln oft als paternalistisch oder überfürsorglich und damit entmündigend empfunden wurde".
Der SED-Staat habe die Kirche für indirekte Verhandlungen mit der Opposition gewissermaßen als "Puffer" benutzt, sagte Poppe. "Dadurch haben sich kirchliche Verantwortungsträger zuweilen in die Rolle drängen lassen, oppositionelle Gruppen zu reglementieren oder auch Protestaktionen zu verhindern." Ein Beispiel dafür seien die Mahnwachen gegen die Relegierungen der Ossietzky-Schüler in Berlin.
Reflexion über die Rolle der Kirche in der Diktatur nötig
Zur Aufgabe der Kirche heute könne gehören, "die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu befördern, damit Voraussetzungen für eine befriedete Gesellschaft zu schaffen und den Weg in Richtung Versöhnung zu ebnen", sagte Poppe. Dazu könnten Gemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer zu Gesprächsrunden in geschützter Atmosphäre einladen, in denen sich Menschen über ihre unterschiedliche Sicht auf die DDR-Zeit austauschen. "Das könnte die Kirche gut leisten."
Um dabei glaubwürdig zu sein, "bedarf es auch der eigenen Reflexion über die Rolle, die die Kirche in der Diktatur gespielt hat", betonte die brandenburgische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Die Vergangenheitsdebatte sei zudem zu stark auf die Stasi konzentriert, sagte Poppe. "Die Kirche sollte dazu beitragen, Themen in den Vordergrund zu rücken, bei denen es nicht nur um Schuld und Versagen geht."
Trotz Grenzregime und Staatssicherheit seien in Teilen der Gesellschaft der Freiheitsanspruch bewahrt und Menschenrechte eingefordert worden, betonte die DDR-Bürgerrechtlerin. Dies dürfe in der Vergangenheitsbetrachtung nicht außer acht gelassen werden. Denen, die noch heute unter den Folgen des Unrechts in der Diktatur leiden, sollte Anerkennung, Seelsorge und Beratung zuteil werden.