Wettbewerb: Eine Rating-Agentur für Europa

Wettbewerb: Eine Rating-Agentur für Europa
Eine Europäische Rating-Agentur soll die US-Konkurrenz aufmischen. Denn die US-Rating-Agenturen seien Ursache der Finanzkrise, sagt die Unternehmensberatung Roland Berger. Deshalb soll die europäische Version auch anders sein. Wie, erklärt Roland-Berger-Partner Markus Krall.
26.08.2011
Von Alexander Missal

Eine europäische Ratingagentur soll nach Plänen der Unternehmensberatung Roland Berger den in die Kritik geratenen Konkurrenten aus den USA künftig die Stirn bieten. "Eine Regulierung der Ratingagenturen allein reicht nicht", sagt Roland-Berger-Partner Markus Krall. "Wir brauchen einen neuen Mitspieler auf dem Markt, um mehr Wettbewerb zu fördern."

Die Unternehmensberatung sei bei einer Analyse der Ursachen für die Finanzkrise 2008 zu dem Schluss gekommen, dass die großen Ratingagenturen dabei eine Schlüsselrolle spielten. Ihnen wird vorgeworfen, teilweise Bestnoten für Wertpapiere vergeben zu haben, in denen hochriskante Immobilienkredite gebündelt waren. Investoren hatten dem Urteil von Standard & Poor's, Moody's und Fitch vertraut. "Es gibt einen Mangel an Wettbewerb und Transparenz in diesem Markt und das geht auf Kosten der Investoren", kritisierte Krall.

Gesetzesänderungen auf europäischer Ebene erforderlich

Die neue Konkurrenz aus Europa ist in dem Modell von Roland Berger als nicht gewinnorientierte Stiftung organisiert. Träger sollen rund 30 große europäische Finanzdienstleister sein, darunter Banken, Börsen und Fondsgesellschaften, die jeweils zehn Millionen Euro als Startkapital zur Verfügung stellen. Dieses Konsortium soll bis zum Jahresende stehen. Die Ratings würden künftig völlig transparent sein: "Jeder Internet-Nutzer hätte in unserem Modell den gleichen Informationsstand wie der Vorstandschef der Ratingagentur."

Bisher bezahlen die Emittenten von Wertpapieren die Ratingagenturen für ihre Benotung - übertragen auf die Schule würde dies bedeuten, dass ein Schüler seine Lehrer für das Zeugnis bezahlt. "Das ist ein Interessenkonflikt, der mit dem aktuellen Modell der Ratingagenturen nicht lösbar ist", meint Krall, der auch Leiter des Bereichs Risikomanagements bei Roland Berger ist. Das zu Recht in der Kritik stehende Bezahlmodell müsse auf den Kopf gestellt werden. "Noch eine Ratingagentur nach dem alten Muster braucht der Markt nicht."

Roland Berger plant daher zusätzlich den Aufbau einer Plattform, auf der Benotungen von verschiedenen Anbietern eingestellt und dann von den Investoren - und eben nicht den Emittenten - erworben werden. Dazu seien jedoch zunächst Gesetzesänderungen auf europäischer Ebene erforderlich. Die EU-Kommission befasst sich derzeit mit der Thematik. Langfristiges Ziel sei dann, dass weitere neue Anbieter hinzukommen und so mehr Wettbewerb entsteht. "Dies würde auch die Meinungsvielfalt stärken", glaubt Krall. Funktioniert das Modell, könnten auch die US-Ratingagenturen gezwungen sein, die neue Plattform zu nutzen, und würden ihr Bezahlmodell umstellen - so das Kalkül von Roland Berger. Wie die neue Ratingagentur heißen könnte, ist noch unklar: "Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht."

dpa