"Ich würde seine Tat auch nicht als repräsentativen Ausdruck eines christlichen Fundamentalismus sehen", ergänzte Löhr. Bei dem Attentäter komme offenbar eine ganze Reihe an Versatzstücken von Weltanschauungen zusammen. Es gebe zwar Bibeltexte, die von menschlicher Gewalt im Auftrag Gottes sprächen, sagte der Theologe. "Wer immer will, kann versuchen, seine eigenen aggressiven Gewalttaten auf solche Texte zu beziehen." Dahinter stecke jedoch "eine sehr selektive Wahrnehmung der Bibel, die der christlichen Botschaft überhaupt nicht gerecht wird".
Hermut Löhr. Foto: WWU Münster
Der Theologe warnte davor, dem mutmaßlichen Attentäter Anders Behring Breivik ein öffentliches Forum für seine Ideologie zu bieten. Eine Stilisierung in den Medien könne Nachahmer motivieren, mahnte Löhr. Er plädierte deshalb dafür, die von dem Täter gewünschten öffentlichen Erklärungen zu untersagen. Sinnvoller wäre es, dass Breivik seelsorgerliche Betreuung erhalte. Im Mittelpunkt müssten jetzt ohnehin die überlebenden Opfer und die Angehörigen der Getöteten stehen.
Weiter über Religionen diskutieren
Die unter anderem mit Islamhass begründeten Anschläge des 32-jährigen Norwegers dürfen nach Ansicht des Theologieprofessors nicht zu einer Einschränkung von Debatten über Religionen führen. "Es wäre fatal, wenn wir uns dadurch unsere sachlichen Debatten miteinander verbieten lassen", sagte Löhr. Hetze gegen eine Religion überschreite allerdings Grenzen des Strafrechts.
Breivik hat nach Polizeiangaben zugegeben, am Freitag das Massaker in einem Jugendcamp auf der Insel Utøya verübt zu haben, nachdem er zuvor eine Autobombe in Oslo gezündet hatte. Medienberichten zufolge hat Breivik Kontakte zu nationalistischen sowie christlich-fundamentalistischen Gruppen. In seinem im Internet veröffentlichten Manifest stelle er sich zudem in die Tradition von Kreuzrittern. Auch sei er mit antiislamischen Äußerungen hervorgetreten. Bei den Anschlägen kamen mindestens 93 Menschen ums Leben.