Die EU-Kommission hat Pläne für eine Reform der Fischerei vorgelegt, wonach die europäischen Fangflotten verkleinert und mehr Entscheidungen regional getroffen werden sollen. "Wenn wir diese Reform richtig anpacken, werden Fischer und Küstengemeinden davon auf lange Sicht profitieren", sagte EU-Kommissarin Maria Damanaki am Mittwoch in Brüssel. "Und alle Europäer werden eine größere Auswahl an frischem Wild- und Zuchtfisch haben."
Heute seien die Flotten "zu groß und zu leistungsfähig". Sie fangen mehr Fische, als nachwachsen können. Das Gesetzespaket sieht daher vor, die Flottenzahl an die Fangmengen "anzupassen". Wie drastisch sie verkleinert werden sollen, gibt Brüssel aber nicht vor. Das müsse die Fischereiindustrie selbst entscheiden. Die Umweltschutzorganisation WWF kritisiert: "Der Kommissionsvorschlag enthält gute Ansätze, überlässt aber zu viel dem Zufall."
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Arbeitsplätze könnten kurzfristig verloren gehen, sagte Damanaki. Doch Brüssel biete eine langfristige Perspektive: Schätzungen zufolge würden Bestände bei nachhaltiger Befischung um 70 Prozent wachsen. Fischer könnten damit mehr fangen und mehr verdienen. Außerdem sollen mehr Jobs in der Fischzucht entstehen. Sie soll gestärkt werden.
Nicht jede Netzmaschenweite im Büro festgelegt
Um die Flottenzahl zu senken, will die Kommission Fischern erlauben, mit Fangquoten zu handeln. Schiffe ab 12 Meter Länge bekämen eine bestimmte Fangmenge für einen definierten Zeitraum zugewiesen. Die könnten Fischer verkaufen oder tauschen, wenn sie sie nicht ausschöpfen. Möglich wäre das aber nur auf nationaler Ebene. Es gäbe gute Beispiele außerhalb der EU: Dänemark habe die Meeresflotte binnen vier Jahren halbiert. Laut Damanaki würden handelbare Quoten Fischern erlauben, mit einer Entschädigung aus ihrem Beruf auszusteigen.
Mehr Entscheidungen sollen vor Ort fallen: Brüssel will nur noch allgemeine Grundsätze der Fischerei festlegen. Wie diese technisch umgesetzt werden, sollen die EU-Länder in regionaler Zusammenarbeit mit der Industrie entscheiden. Brüssel will nur eingreifen, wenn keine Einigung zustande kommt. Laut der SPD-Europaabgeordneten Ulrike Rodust ein "Mentalitätswechsel": "Die EU-Kommission hat begriffen, dass nicht jede Netzmaschenweite, jedes Fisch-Mindestmaß und jedes Schutzgebiet in Brüsseler Bürotürmen festgelegt werden kann."
Drei von vier Beständen sind heute überfischt. Europa sei darauf angewiesen, zwei Drittel der Fische zu importieren. Die Reform wolle mit diesem "Teufelskreis" brechen. Von 2015 an soll nur noch so viel Fisch gefangen werden, dass der Fortbestand seiner Art sicher ist.
Keine pauschalen Quoten-Senkungen
Dafür müssten nicht alle Quoten sinken: "Für Kabeljau und Seelachs können wir in einigen Bereichen die Quoten aufstocken." Aber: Brüssel will Quoten insgesamt stärker an wissenschaftliche Daten koppeln. Fehlt es an Daten zu einem Bestand, könnte die Quote pauschal um 25 Prozent gekürzt werden. Mit diesem Vorschlag war die Kommission kürzlich auf scharfe Kritik aus allen EU-Ländern gestoßen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) begrüßte aber den jüngsten Vorstoß aus Brüssel: "Wir können unsere wertvollen Fischbestände nur dann wirksam schützen, wenn es langfristige Bewirtschaftungspläne mit begrenzten Fangmengen gibt, die auf wissenschaftlichen Empfehlungen basieren." Sie begrüßte auch, dass Rückwürfe unerwünschter Fänge ins Meer verboten werden sollen. Diese machen heute fast ein Viertel der Gesamtfangmenge der Fischerei aus.
Verbraucher könnten besser über die Qualität der Fische informiert werden. Auf dem Etikett soll stehen, ob die Fische aus der Zucht oder der freien Wildbahn kommen. Auch soll der Name und das Fangdatum genannt werden und ob der Fisch frisch ist. Die Gesetze könnten von 2013 an gelten, wenn Europaparlament und EU-Länder vorher zustimmen.
Kritik: "Für Entwicklungsländer ein Desaster"
Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) kritisiert die EU-Fischereipolitik als enttäuschend und dürftig. "Die erneuerte gemeinsame Fischereipolitik ist für die Entwicklungsländer ein Desaster", erklärte der EED am Mittwoch in Bonn. Im Gesetzentwurf fehlten Zusagen für mehr Transparenz und die Beteiligung der Zivilgesellschaften Afrikas und Asiens bei Vertragsverhandlungen mit den Europäern, beklagte EED-Fischereiexperte Francisco Mari. Trotz des Wissens um den Zusammenhang von Überfischung durch EU-Hochseeflotten und Armut in den Küstenregionen ignoriere der Entwurf "grundsätzliche entwicklungspolitische Standards und Ansprüche".
Die EU scheitere an ihrer eigenen Anforderung, zukünftig die Fischereiverträge unter den Leitgedanken der Nachhaltigkeit und Entwicklung zu stellen, erklärte Mari. Fischerei sei jedoch ein zentraler Punkt bei der Verknüpfung von Außenhandel und Entwicklungspolitik. Er äußerte die Hoffnung auf Nachverhandlungen der Bundesregierung, um eine bessere Abstimmung mit zu erreichen.
Der EED-Experte verwies darauf, dass die Hälfte der EU-Importe und ein Drittel der deutschen Fischimporte aus Gewässern der Entwicklungsländer kommen. Doch die Fischerdörfer an den Küsten Senegals, Ghanas, Mauretaniens oder Angolas verarmten zusehends. Auf der Jagd nach sogenannten Edelfischen wie Thunfisch, Seehecht, Kabeljau oder Tintenfisch vernichteten die EU-Fangflotten mit derzeit rund 800 Schiffen unter der Flagge eines EU-Mitgliedsstaates seit Jahrzehnten an den afrikanischen Küsten durch riesige Beifangmengen die regionalen und lokalen Bestände.