Der Suchmaschinen-Gigant Google tritt mit dem neuen Projekt Google+ gegen das Online-Netzwerk Facebook an. Dabei will Google gezielt Schwachstellen von Facebook ins Visier nehmen: Als Stärke des neuen Dienstes präsentiert der Konzern, dass die Nutzer Informationen immer mit ausgewählten Menschen teilen statt mit allen ihren Online-Bekannten.
"Man steht zu unterschiedlichen Leuten in unterschiedlichen Beziehungen", erläuterte der für Software-Entwicklung zuständige Google-Manager Vic Gundotra am Dienstag im Firmenblog. Im richtigen Leben teile man das eine mit Freunden von der Uni, anderes mit den Eltern - "und fast nichts mit dem Chef", argumentierte er. "Das Problem ist, dass heute jeder im Web den Stempel "Freund" aufgedrückt bekommt, und das Teilen von Inhalten unter diesem Freundschaftsbrei leidet."
Bei Google+ sind nicht alle "Freunde" gleich
Gundotra spielt damit auf Facebook an. Das weltgrößte soziale Netzwerk hatte zuletzt für Negativ-Schlagzeilen gesorgt, unter anderem mit versehentlichen und absichtlichen Massenparty-Aufrufen seiner Nutzer in Deutschland und einer umstrittenen Gesichtserkennungsfunktion. Mit geschätzten bis zu 700 Millionen Nutzern weltweit hat Facebook aber bereits eine kritische Masse erreicht, die auch einen einstiegen starken Konkurrenten wie MySpace dahinsiechen lässt.
Bei Google+ teilen die Nutzer ihre Kontakte in sogenannte "Circles" (Kreise) ein, etwa für den Austausch mit Familienmitgliedern oder den Arbeitskollegen. Der Dienst besteht aus mehreren Bausteinen. Bei "Sparks" trägt man seine Interessen ein und bekommt dann einen Strom an Web-Inhalten zu dem Thema. Mit der Videoplattform YouTube und einem Dienst wie Google News hat der Internet-Konzern hier aus dem Vollen schöpfen. Will man etwas zu dem Thema beitragen, erreicht man die Google-Nutzer mit den selben Hobbys. Die Funktion von Facebooks "Gefällt mir"-Knopf übernimmt dabei die kürzlich gestartete Google-Alternative "+1".
Möglichst viele Menschen auf die Seite
Bei "Hangouts" sind Videochats in größerer Gruppe möglich oder eine Unterhaltung per Text. Ein weiterer zentraler Baustein heißt "Mobile". Man kann jedes Mal, wenn man etwas bei Google+ einträgt, seinen Standort angeben. Und um das Teilen von Fotos von unterwegs zu erleichtern, gibt es die Funktion "Sofort-Upload": "Mit eurer Erlaubnis fügt Google+ eure Fotos gleich nach der Aufnahme zu einem privaten Album in der Cloud hinzu, und macht sie für alle eure Geräte verfügbar." Von dort kann man sie mit ausgewählten Menschen teilen.
Seit Monaten war darüber spekuliert worden, dass Google an einem Gegenentwurf zu Facebook arbeitet. Bisherige Vorstöße in die Welt der sozialen Netzwerke wie der Dienst Buzz hatten sich eher als Fehlschlag erwiesen, das Google-Netzwerk Orkut war nur in einigen Ländern erfolgreich.
Google ist aber praktisch gezwungen, Facebook etwas entgegenzusetzen, weil immer mehr Leute immer mehr Zeit dort verbringen - Zeit, die Google entgeht. Beide Internetfirmen machen ihr Geld mit Werbung und deshalb ist es für sie überlebenswichtig, dass möglichst viele Menschen ihre Seiten besuchen.
Der Freischaltungs-Termin ist noch offen
Facebook experimentiert zudem gemeinsam mit dem Google-Erzrivalen Microsoft an einer "Sozialen Internet-Suche", bei der Informationen aus dem Bekanntenkreis eines Nutzers stärker im Vordergrund stehen. Damit kam das Google-Kerngeschäft direkt ins Visier - der Internet-Konzern verdient sein Geld immer noch vor allem mit Anzeigen im Umfeld der Suchergebnisse. Google-Mitbegründer Larry Page soll bei seiner Rückkehr an die Konzernspitze im Frühjahr den Erfolg bei sozialen Online-Diensten zu einer Top-Priorität ausgerufen haben. Google kann potenziell ebenfalls eine riesige Nutzerbasis ansprechen: Jüngst kam der Konzern erstmals auf eine Milliarde Nutzer seiner Suchemaschine in einem Monat.
Google+ läuft vorerst lediglich im Testbetrieb mit einer kleinen Anzahl von Nutzern. "Das Projekt kann momentan nur auf Einladung genutzt werden", schrieb Gundotra. Wann es für die Allgemeinheit freigeschaltet wird, ist unklar.