Handydaten-Skandal: Dresdens Polizeichef muss gehen

Handydaten-Skandal: Dresdens Polizeichef muss gehen
Mit Millionen Datensätzen aus Privathandys wollte die Dresdner Polizei Schläger dingfest machen, die am Rande von Anti-Nazi-Demos Beamte angegriffen hatten. Ein Skandal, fand die Opposition. Nun gibt es personelle Konsequenzen: Dresdens Polizeichef muss gehen.
28.06.2011
Von Petra Strutz

Die Handydaten hunderter Demonstranten sollten die Ermittler in Sachsen auf die Spur von Straftätern bei einer Anti-Nazi-Demo bringen. Die Landesregierung hält die Auswertung der Millionen Datensätze für rechtens. Dennoch wurde jetzt entschieden: Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch muss seinen Hut nehmen.

Es habe "Informationsdefizite im Zusammenhang mit der Auswertung von Mobilfunkdaten" gegeben, teilte das Innenministerium am Montag mit. Innen- und Justizministerium hatten von der Datenauswertung vor einer Woche erst aus der Presse erfahren. Inzwischen räumten sie Fehler ein. Der 55-jährige Hanitsch soll jetzt eine andere Dienststelle übernehmen.

Mehr Daten ausgewertet als zugegeben

Im Laufe der Untersuchungen stellte sich heraus, dass mehr Daten ausgewertet wurden, als Hanitsch zunächst eingeräumt hatte. Anfangs war von 138.630 Datensätzen die Rede, schließlich von etwa einer Million, weil zwei Ermittlungskomplexe zusammengeführt worden waren. Aus den Daten ließen sich Rückschlüsse auf Rufnummern, Gesprächsdauer und Standort der Anrufer ziehen. Damit sollen Drahtzieher von schweren Straftaten und Mitglieder einer kriminellen Vereinigung überführt werden. Das Ergebnis steht noch aus, die Ermittungen laufen.

In 45 Fällen übergaben Ermittler Daten zu Unrecht an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Strafverfolgung, wie aus dem Bericht von Innen- sowie Justizministerium hervorgeht. Diese Daten betrafen unter anderem Abgeordnete, die sich an friedlichen Blockaden der Neonazi-Aufzüge beteiligt hatten. Etliche von ihnen kündigten rechtliche Schritte gegen die umfangreiche Auswertung an. Auch Journalisten, die von den Protesten berichtethatten, haben Beschwerden angekündigt. Sie sehen die Pressefreiheit angegriffen.

Die Auswertung der Daten selbst wird von der Regierung nicht beanstandet. Es gab eine richterliche Anordnung. Aus Sicht von Innenminister Markus Ulbig (CDU) war die Aktion verhältnismäßig. Allein 106 Polizisten waren bei Angriffen von Demonstranten verletzt worden. Deswegen laufen unter anderem Ermittlungen wegen eines versuchten Totschlags, 60 Fällen von Landfriedensbruchs und 37 Körperverletzungen. Damals standen sich etwa 3.000 Neonazis und 12.500 Demonstranten gegenüber, darunter etwa 1.000 gewaltbereite Rechte und 3.500 Linksextremisten. 6.300 Polizisten waren im Einsatz.

Opposition verlangt weitere Aufklärung

Die sächsischen Oppositionsparteien reagierten mit Genugtuung, aber auch Empörung auf die Versetzung des Polizeipräsidenten. Die Linke nannte den Schritt längst überfällig, die SPD sprach dagegen von einem Bauernopfer. Die Grünen vermuten, dass hinter der Abberufung Unzufriedenheit des Innenministeriums mit der Einsatzführung Hanitschs bei den von Gewalt überschatteten Anti-Nazi-Demos steckt. Alle drei Oppositionsparteien verlangten weitere Aufklärung des Datenskandals. An diesem Mittwoch befasst sich der Landtag in einer aktuellen Debatte mit dem Thema.

Hanitsch hatte schon im Vorfeld der umstrittenen Demonstrationen vor Problemen gewarnt und keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Genehmigung der Neonazi-Aufmärsche am 13. und 19. Februar für falsch hielt. Besorgt schaute er aber auch auf die Gegendemonstranten, die gleichfalls bundesweit mobil gemacht hatten. Letztlich gelang es der Polizei am 19. Februar nicht, die Demonstranten beider Seiten voneinander zu trennen. Als Polizisten massiv angegriffen wurden, schritten die Beamten konsequent ein.

dpa