Online-Experten: Journalismus in Echtzeit wird wichtiger

Online-Experten: Journalismus in Echtzeit wird wichtiger
Der Journalismus in Echtzeit wird nach Ansicht von Online-Experten in Zukunft an Bedeutung gewinnen. "Die Erwartungshaltung der Nutzer ändert sich", sagte der Journalist und Dozent Christian Jakubetz am Donnerstag in Frankfurt am Main beim 7. Frankfurter Tag des Online-Journalismus.

Mit einem Tablet-PC sei die schnelle Berichterstattung beispielsweise per Twitter, YouTube und Facebook nahezu gleichzeitig möglich. Der Medienbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Markus Bräuer, betonte unterdessen, dass Journalisten mehr Mut zur seriösen Berichterstattung bräuchten und jede Quelle prüfen müssten.

Jakubetz sieht im Tablet als Medium viele Vorteile. Es könne gegebenenfalls alle anderen ersetzen, sagte er. Schließlich könne es sowohl Filme, als auch Ton und Text darstellen. Das Tablet werde sich als Gerätegattung eher durchsetzen als das Netbook. Allerdings seien App-Angebote noch am Anfang, da es wie beim frühen Internet noch keine Standards in der Darstellung und Bedienoberfläche gebe, betonte der Journalist. Laut einer amerikanischen Studie sei der Nutzer bisher noch vor allem der technikaffine Mensch, was sich aber in einigen Jahren ändern werde.

"Datenjournalismus funktioniert nur online"

Für den freien Journalisten Lorenz Matzat ist der sogenannte Datenjournalismus im Internet von großer Bedeutung. "Wir sind umgeben von Messgeräten, die Informationen sammeln", sagte er. Mit diesen Daten könnten "tolle Geschichten" erzählt werden. Auch sei es auf diese Weise möglich, den Leser einzubinden. Als Beispiel nannte er dafür die "New York Times", die ihre Internet-Nutzer dazu aufrief, Vorschläge zur Kürzung des Regierungshaushalts zu machen. Außerdem könne der Leser wie bei den Plagiatsaffären in die Recherche eingebunden werden, sagte Matzat. "Datenjournalismus funktioniert nur online."

Oberkirchenrat Bräuer betonte, dass Journalisten in restriktiven Ländern beispielsweise auf Twitter, Facebook oder Handyvideos als neue Quellen zugreifen könnten. Nach seinen Vorstellungen müssen Journalisten allerdings Gatekeeper sein, die diese unsicheren Informationen filtern, prüfen, bewerten und vermitteln.

Außerdem sollten Medienmacher darauf hinweisen, wenn sie keine oder nur unsichere Informationen hätten, sagte Bräuer. "Wer wenige Stunden nach einer so unübersichtlichen Veranstaltung wie der Love Parade in Duisburg im letzten Sommer zu wissen glaubt, wer Schuld ist, wer die Verantwortung zu tragen hat, kann doch nicht seriös genannt werden."

Der 7. Frankfurter Tag des Online-Journalismus wird gemeinsam vom Hessischen Rundfunk (HR), der EKD, dem Fachdienst epd-medien und evangelisch.de organisiert.

Frühere taz-Chefin Mika: Zeitung wird Luxusmedium

Die traditionelle Zeitung wird nach Ansicht der ehemaligen taz-Chefredakteurin Bascha Mika (57) künftig ein "Luxusmedium" für wenige Leser werden, die noch Wert auf Qualitätsjournalismus legen. Grund sei vor allem das Internet mit seinen Nachrichtenangeboten, die immer mehr Menschen als Information ausreichten, sagte Mika beim Demokratie-Kolleg am Mittwochabend im Christian Jensen Kolleg in Breklum (Kreis Nordfriesland). Mika lehrt derzeit an der Universität der Künste in Berlin.

Der Chefredakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (shz), Stephan Richter (61), warnte davor, weniger journalistische Qualität anzubieten. Es gebe zwar Leser, denen ein Anzeigenblatt reiche. Trotzdem müssten Journalisten "die Sache hochhalten". Gerade in ländlichen Regionen nähmen Leser die Zeitung immer noch als "meine Zeitung" wahr.

Beide bedauerten, dass offenbar immer mehr Verleger die hohe Bedeutung der Zeitung für Gesellschaft und Demokratie nicht mehr würdigten und sie nur noch als Wirtschaftsfaktor sähen. "Die Verleger handeln immer mehr so, als produzierten sie Wurst oder Käse", sagte Mika. In einem Medienunternehmen, das ausschließlich ökonomisch geführt werde, sei der professionelle Qualitätsjournalismus bedroht, so Richter. Dieser werde zunehmend nur noch als Kostenfaktor gesehen.

epd