Bestatter: "Für mich ist Auferstehung pures Sein"

Bestatter: "Für mich ist Auferstehung pures Sein"
War das Grab leer? Das Grab, in das man den Leichnam des gekreuzigten Jesus von Nazareth gelegt hatte? Ja, das Grab war leer, und der Auferstandene ist den Jüngern erschienen - so wird es in den Evangelien berichtet. Die Auferstehung Christi ist die zentrale Botschaft des Christentums, darum feiern wir Ostern. Doch was bedeutet Auferstehung für uns heute? Evangelisch.de hat fünf "praktische Theologen" gefragt, wie sie die Botschaft von der Auferstehung heute für sich selbst verstehen und an andere Menschen weitergeben.

Hans Bartosch betreut als Krankenhauspfarrer Patienten der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf.

Was bedeutet Auferstehung für Sie persönlich?

Bartosch: Na, das beginnt natürlich mit jenen elementaren Erfahrungen, die immer wieder sich schenken: Ich kann aufstehen. Ich darf weitermachen. Ich darf weitermachen, obwohl ich mich völlig verstrickt habe. Das Leben leuchtet. Die Welt ist in ihrer ganzen Tiefe gut. Deshalb können wir aufstehen … im Strom einer viel größeren Auferstehung.

Wie verstehen Sie die biblischen Texte zu Jesu Auferstehung? War das Grab leer?

Bartosch: Ja, das Grab war leer. Vor vier Jahren war ich zu Karfreitag und zu Ostern in Jerusalem in jenem Steinbruch direkt hinter dem arabischen Busbahnhof. Es sind die anglikanischen Geschwister, die hier mit britischem "enjoy" in einem "lovely!" gepflegten Garten ihren Osterglauben pflegen und leben. Aus dem Garten erwächst der Steinbruch. Mitten in den Steinen liegt ein enges Felsengrab für zwei oder drei Menschen. Natürlich ist das Grab leer. Es war schon seit jenem allerersten Ostern immer leer. Die ganze Gottes- und Jesusgeschichte geht im Garten weiter.

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Bartosch: Als Seelsorgender sollte man sich, wenn man kranke und sterbende Menschen besucht, das Predigen und das Erklären abgewöhnen. Gänzlich! Erstaunlicherweise teilt sich aber mein Glaube mit: Dass wir zusammengehören, wir Lebenden, unsere Verstorbenen und auch die Ungeborenen – kraft der Auferweckung Jesu von den Toten. Nach vielen hunderten verstorbenen Menschen, die ich kennenlernen durfte, ist dies für mich einfach eine Tatsache. Sie nimmt nicht den Schmerz, aber sie öffnet das Herz.


Nora Steen ist Pfarrerin in Hildesheim und neue Wort zum Sonntag-Sprecherin in der ARD.

Was bedeutet Auferstehung für Sie persönlich?

Steen: Auferstehung ist für mich das Gefühl, ganz früh am Ostermorgen in einer dunklen Kirche zu sitzen. Ich spüre noch die Karfreitagsdunkelheit. Sie ist auch in mir. Die Osterkerze wird herein getragen. Dieses eine Licht erhellt alles. Draußen geht die Sonne auf. Die Kirchenfenster beginnen zu leuchten. Nach dem Gottesdienst trete ich vor die Tür. Die Vögel singen. Das Leben – stärker als der Tod.

Wie verstehen Sie die biblischen Texte zu Jesu Auferstehung? War das Grab leer?

Steen: Ich habe ein Jahr lang in Indien gelebt. Dort habe ich gelernt, dass wir im Westen eine sehr eingeschränkte Sicht auf unsere Wirklichkeit haben. Wir halten nur das für wahr, was wissenschaftlich beweisbar ist. In den meisten anderen Kulturen ist es anders. Dort kann auch das wahr sein, was unsere persönlichen Vorstellungen durchkreuzt oder übersteigt. Wieso soll das Grab also nicht leer gewesen sein?

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Steen: Ich sehe, wie unendlich verwundet unsere Welt ist. Nicht nur die großen humanitären Katastrophen wie in Japan oder Libyen, auch die privaten Schicksalsschläge um mich herum lassen mich fragen, ob die Botschaft von der Auferstehung nicht durch die Wirklichkeit widerlegt wird. Dann sehe ich auf das Kreuz. Jesus ist durch all das hindurchgegangen. Aber das Kreuz ist leer. Das Leben ist stärker als der Tod.


Prof. Dr. Thomas Erne ist Direktor des EKD-Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart und lehrt Praktische Theologie an der Philipps-Universität Marburg.

Was bedeutet Auferstehung für Sie persönlich?

Erne: Auferstehung - für mich persönlich? Wenn die alltäglichen Erfahrungen der Daseinsweitung sich in der Gewissheit verdichten, dass ich im Tod nicht ins Bodenlose sinke, sondern bei Gott gerettet sein werde.

Wie verstehen Sie die biblischen Texte zu Jesu Auferstehung? War das Grab leer?

Erne: Ich gehe von der Annahme aus, das Grab sei leer gewesen, weil mir an einer Auferstehung des "Fleisches" liegt, wie es noch so schön drastisch in der alten Fassung des Glaubensbekenntnis hieß. Die biblisch bezeugten Begegnungen mit dem Auferstandenen betonen ja auch die Leiblichkeit seiner Erscheinung mitsamt den Wundmalen. Zugleich betonen sie die Andersartigkeit des Auferstehungsleibes, der durch Türen gehen kann.

Will man beides zusammendenken, dann würde ich vorschlagen, dass die Auferstehung weder als kompletter Neustart noch als Unsterblichkeit der Seele ohne den sterblichen Leib zu verstehen ist, sondern als eine tiefgreifende und schmerzhafte Transformation, in der die Einheit von Leib und Seele verwandelt wird in ein neues Sein. Paulus nennt den Geist-Leib (1. Kor 15,44). Denn nur so, im verwandelten Leib, konnten die Jünger den Auferstandenen als Christus erkennen.

Und nur so, als Verwandelte im Geist-Leib, werden wir uns selbst und uns gegenseitig als Auferstandene erkennen. Allerdings wie dieses neue Sein konkret aussehen wird, da geht es mir wie Marie-Luise Kaschnitz. Da wüsste ich keine Auskunft zu geben, nur: Liebe, mich überflutend. 

Glauben Sie, fragte man mich
An ein Leben nach dem Tode
Und ich antwortete: ja
Aber dann wusste ich
Keine Auskunft zu geben
Wie das aussehen sollte
Wie ich selber
Aussehen sollte
Dort

Ich wusste nur eines
Keine Hierarchie
Von Heiligen
auf goldenen Stühlen sitzend
Kein Niedersturz
Verdammter Seelen
Nur
Nur Liebe frei geworden
Niemals aufgezehrte
Mich überflutend 

(Marie-Luise Kaschnitz)

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Erne: Mit einer Ostergeschichte für Kinder: "Miriam steht im Stall. Vorsichtig horcht sie an dem Ei. Nichts rührt sich. Wie ein toter Stein liegt das Ei in ihrer Hand. Sie legt es ins Nest zurück. Schade, sie hat sich so auf ein Küken gefreut. "Komm wir müssen gehen" ruft die Mutter. Es ist früh am Morgen. Miriam hilft den Frauen, die Salben zur Felsenhöhle hinauszutragen, wo Jesus begraben liegt. Die Frauen erreichen das Grab, das in den Felsen gehauen ist. Miriam bemerkt es als erste: "Das Grab ist aufgebrochen. Es ist leer!" - "Was hat das zu bedeuten?" fragen sich verwundert die Frauen. Das Grab ist aufgebrochen – es ist leer", erzählen die Frauen in der Stadt. "Was hat das zu bedeuten?" fragen sich die Männer. "Vielleicht hat man den Leichnam Jesu gestohlen?" Die Kinder wollen suchen in Felsspalten, Höhlen und Brunnen. Da kommt Miriam aus ihrem Stall. "Ich weiß, was das zu bedeuten hat", sagt sie. Die Frauen, Männer und Kinder folgen ihr. Alle schauen sie in das Nest. Das Ei liegt aufgebrochen da, wie die Grabeshöhle, draußen am Rand der Stadt. Das Ei ist leer, ein Küken geschlüpft. "Jesus lebt", sagt Miriam."


Elke Eisenschmidt aus Magdeburg ist Mathematikerin und Mitglied des Rates der EKD.

Was bedeutet Auferstehung für Sie persönlich?

Eisenschmidt: Jesu Tod und Auferstehung sind das für mich letztgültige Zeichen, dass Gott als Mensch in unsere Welt gekommen ist. Wen die Verborgenheit Gottes im Angesicht von Ungerechtigkeit und Elend je hat verzweifeln lassen, der weiß, was für ein Wunder hier geschehen ist! Gott zeigt uns in seiner Auferstehung, dass der Tod und das Böse eben nicht das letzte Wort behalten. Was für ein großartiges Versprechen!

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Eisenschmidt: Die österlichen Texte zeugen von einer ungeheuren Kraft, die die christliche Ur-Gemeinde zusammenschweißt. Eben noch trauernd und zutiefst verängstigt, verkünden die Anhänger Jesu in kürzester Zeit und mit absoluter Gewissheit nicht nur seine Lehre – sondern auch ihn selbst. Hier muss etwas Wunderbares passiert sein! Von diesem Wunder, das die Kraft des christlichen Glaubens ausmacht, erzählen die österlichen Texte.

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Eisenschmidt: Schon immer treibt das ungeheure Wunder der Auferstehung die Christinnen und Christen um. Naturwissenschaftlich lässt es sich aber weder beweisen noch widerlegen. Denn naturwissenschaftliche Modelle machen Aussagen über regelmäßige und wiederholbare Vorgänge in der Natur – die Auferstehung aber ist ein einzigartiges und unwiederholbares Ereignis. Sie entzieht sich also schon per Defintion allen naturwissenschaftlichen Erklärungen. Man sollte fundamentale Glaubensinhalte nicht auf ihre bloßen naturwissenschaftlichen Aspekte reduzieren, denn dadurch trivialisiert man sie und verpasst ihren eigentlichen Kern. 


Fritz Roth ist Bestatter und Trauerbegleiter in Bergisch Gladbach.

Was bedeutet Auferstehung für Sie persönlich?

Roth: Für mich ist Leben "Da-Sein". Im Leben bin ich gebunden an meinen Körper, an den Ort, wo ich lebe. Und für das Leben ist es wichtig, dass ich mit meinem Geist auch anwesend bin, sonst lebe ich an meinem Gegenüber vorbei. Tod ist für mich nur "Sein". Ich bin nicht mehr gebunden an meinen Körper, auch nicht mehr an einen Ort, aber ich bin aufgehoben, ob ich lebe oder tot bin, in einer Ordnung, die sinnspendend ist. Für mich ist Auferstehung pures "Sein", Leben in einer übergeordneten Dimension.

Wie verstehen Sie die biblischen Texte zu Jesu Auferstehung? War das Grab leer?

Roth: Für mich ist das ein Bild, wie ja die Bibel voller Bilder und Gleichnisse steckt. Leider sind wir oft Analphabeten des Lebens und auch des Glaubens. Und wenn ich ein Analphabet bin, können mir Bilder helfen zu "begreifen". Das leere Grab lädt mich ein zu entdecken, dass Tod niemals Tod ist. Jesus hat durch seine Auferstehung eine Brücke gebaut in eine andere Welt. Jesus hat damit die Trennung von Diesseits und Jenseits aufgehoben, besser noch vereint. Mitten im Leben ist diese andere Welt um uns herum.

Über die persönliche Auseinandersetzung mit meiner eigenen Endlichkeit kann ich derartige Erfahrungen entdecken, besser noch, wieder glauben. Ohne Glauben macht ein Grab Angst. Da ist nur Dunkelheit und Kälte. Manchmal braucht es aber Dunkelheit, um das wahre Licht zu entdecken. Ein Licht, das ich mit den Augen des Verstandes nicht in der Lage bin zu sehen, aber mit den Augen des Herzens.

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Roth: Für mich ist jeder Tote ein erfahrbarer Gottesbeweis. Jeder Verstorbene spiegelt mir in seinem im Tode ruhenden Gesicht etwas wieder, wofür wir im Leben oft blind geworden sind. In so einem Gesicht kann ich erkennen, dass im Augenblick des Todes etwas auf uns wartet, etwas das uns die Angst nimmt und Hoffnung schenkt.

Wenn wir es im Alltag wieder schaffen, das Leben und den Tod mit den Augen des Herzens zu sehen, bekommen wir eine Ahnung davon, dass es da noch eine andere Dimension geben muss. Eine höhere Ordnung in der wir alle verankert sind, auch wenn wir ihren Sinn oft nicht verst hen.
Mit den Augen des Herzens zu sehen, das versuche ich den Menschen zu vermitteln.


 

Brigitte Schneidereit (Bildmitte) und ihre Kolleginnen sind Erzieherinnen im Evangelischen Kindergarten Speldorf Mitte in Mülheim / Ruhr.

Was bedeutet Auferstehung für Sie persönlich?

Schneidereit: Auferstehung bedeutet für uns: immer wiederkehrendes Leben (wenn auch in anderer Form), Neuanfang und Verlässlichkeit (alles geht weiter). Es gibt ein Leben nach dem Tod und ein Wiedertreffen mit geliebten Menschen. Leben und der Tod gehören eng zusammen.

Wie verstehen Sie die biblischen Texte zu Jesu Auferstehung? War das Grab leer?

Schneidereit: Die Bibel ist für uns ein Glaubensbuch, auf das man sich einlassen muss. So lesen wir auch die Ostergeschichten aus der Bibel. Gerade in unserer Arbeit mit Kindern merken wir, dass es mehr ist als rein naturwissenschaftliche Erklärungsversuche.

Wie vermitteln Sie anderen Menschen die Botschaft von der Auferstehung Jesu?

Schneidereit: Zu Ostern schauen wir mit den Kindern Bilderbücher an, um die Geschichten aus der Bibel zu vermitteln. Das Thema Leben und Sterben greifen wir auch situationsbezogen mit kindgerechten Projekten auf, zum Beispiel wenn ein Haustier gestorben ist. Auch Naturbeobachtung ist ein gutes Mittel, zum Beispiel betrachten wir die Bäume, die im Winter wie tot aussehen, aber im Frühjahr zu neuem Leben erwachen.