Filmkritik: "An einem Samstag" von Alexander Mindadze

Filmkritik: "An einem Samstag" von Alexander Mindadze
Vor 25 Jahren in Tschernobyl: Der Film "An einem Samstag" schildert den Tag des Reaktorunfalls aus Sicht der Anwohner. Der erste russische Spielfilm zu diesem Thema.
11.04.2011
Von Barbara Schweizerhof

Es gibt Ereignisse, die bleiben einem einfach im Gedächtnis: 25 Jahre später und aufgrund der aktuellen Ereignisse erzählt man sich heute noch, wo man zur Zeit des Tschernobyl-Unglücks war. Die Erwartungen an den Drehbuchautor und Regisseur Alexander Mindadze und an seinen Film "An einem Samstag" sind dementsprechend hoch. Der Blick in die Vergangenheit soll uns etwas über die Gegenwart verraten. Es ist ein Anspruch, der recht alltäglich klingt, einen Film aber auch leicht überfordern kann.

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Das Alltägliche ist es denn auch, das Mindadze in seinem Film über Tschernobyl ins Zentrum stellt. Der Titel "An einem Samstag" deutet es an: Der 26. April 1986, der Tag des Reaktorunfalls, war für die Bevölkerung rund um das Atomkraftwerk zunächst ein Samstag wie jeder andere. Ein warmer Frühlingstag, der zum Picknick und zu Spaziergängen im Freien einlud, während die zuständigen sowjetischen Behörden den Vorfall nach außen, insbesondere vor der betroffenen Bevölkerung, leugneten und nach innen offenbar herunterspielten. In diesen ersten 24 Stunden des sträflichen Nichtstuns angesichts steigender radioaktiver Strahlung lässt Mindadze seinen Film spielen.

Hauptperson ist der junge Parteifunktionär Valerij (Anton Shagin), der durch Zufall am frühen Morgen des 26. April vor Ort von der Explosion erfährt. Er überzeugt sich mit eigenen Augen vom offen liegenden, glühenden Reaktorkrater, scheint zu begreifen, was vor sich geht, und will fliehen. Aber er kommt aufgrund banaler Probleme nicht weg: Seine Frau (Svetlana Smirnova) muss er erst noch überzeugen mit ihm zu fliehen, dann muss sie sich erst noch etwas anziehen und packen, bis ihr schließlich auf dem Weg zum Bahnhof auch noch der Schuhabsatz abbricht. Währenddessen fährt der Zug vor ihrer Nase ab. Egal, denn es gibt ja genug andere Sachen zu tun: Der Schuhsonderverkauf in ihrem Betrieb, oder die Band mit der sie und Valerij auf einer Hochzeit spielen sollen.

Unbegreifliche Trägheit und Teilnahmslosigkeit

Man trinkt, man streitet sich, in den versöhnlichen Pausen philosophiert man vor sich hin. Erst der Bräutigam bemerkt den Metallgeschmack in der Luft (wie er später in Berichten der als "Liquidatoren" eingesetzten Soldaten tatsächlich vorkommt), die Braut ist schwanger und spricht träumerisch-ängstlich von der ungewissen Zukunft. Die für Außenstehende unbegreifliche Trägheit und Teilnahmslosigkeit zeigt Mindadze durch die starke Bindung der Kamera zu seinen Figuren. Es ist aber gerade diese Reduktion aufs Persönlich-Atmosphärische, die die Erwartungen jener Zuschauer enttäuscht, die sich von "An einem Samstag" irgendeinen Aufschluss zu den aktuellen Ereignissen erhofft haben.

Man mag sich vor Augen führen, dass es sich bei Mindadzes Film um den ersten russischen Spielfilm zum Thema Tschernobyl handelt und es dem Autor um das gleichnishafte Bild einer in Stagnation gefangenen Gesellschaft geht. Es bleibt jedoch auch eine Systemkritik, die 20 Jahre nach dem Untergang der Sowjetunion und vor dem aktuellen Hintergrund von Japan leider kaum Durchschlagskraft besitzt.

Russland/Ukraine/D 2011. Regie: Alexander Mindadze. Mit: Anton Shagin, Svetlana Smirnova. Länge: 99 Minuten. FSK: 12, ff.

epd