Deutsche Spenden für Japan: Hilfe mit Hindernissen

Deutsche Spenden für Japan: Hilfe mit Hindernissen
Spenden für Japan. Viele Deutsche sind dazu bereit, fragen sich aber: Kommt das Geld auch wirklich an? Bei den Berichten aus den Katastrophengebieten gewinnt man als Zuschauer manchmal den Eindruck, als blieben die Menschen in den zerstörten Dörfern völlig sich selbst überlassen - ohne Wasser, ohne Reis, ohne Licht. In der Tat kommen die Hilfsorganisationen nicht überall gleichzeitig an, und manche Gebiete sind wegen der zerstörten Straßen schwer zu erreichen. Doch Hilfe ist unterwegs: Japanischen Teams gelingt es trotz der schwierigen Umstände, zumindest einen Teil der leidenden Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen - auch mit Hilfe auch aus Deutschland.
18.03.2011
Von Anne Kampf

Japan ist kein Entwicklungsland, sondern eine hoch entwickelte Industrienation, darauf weisen deutsche Hilfsorganisationen immer wieder hin: Es gibt dort gut ausgebildete Ersthelfer und Katastrophen-Einsatzpläne. Deshalb sind die deutschen Organisationen eher zurückhaltend und warten darauf, dass Japan ausdrücklich Personal oder Material anfordert. In der Zwischenzeit werden hierzulande Geldspenden gesammelt und nach Japan überwiesen.  

Das japanische Rote Kreuz zum Beispiel verfügt nach Angaben von Pressesprecherin Svenja Koch über rund zwei Millionen Freiwillige, von denen viele in Erster Hilfe ausgebildet sind. Von insgesamt 480 mobilen medizinischen Teams seien zurzeit 100 im Katastrophengebiet an der Ostküste unterwegs. Sie schaffen es - nach allem, was die deutsche DRK-Zentrale hört - mit Autos zu den hilfsbedürftigen Menschen durchzudringen: "Wir haben nichts davon gehört, dass welche feststecken", sagt Svenja Koch. 2.400 Pfleger und Schwestern seien mittlerweile in den Notaufnahmelagern, um die Menschen dort auch psychosozial zu betreuen - also in der schwierigen Situation zu trösten.  

Sollte das japanische Rote Kreuz Unterstützung brauchen, werde es sicher in China, Australien oder den USA anfragen, vermutet die Pressesprecherin. Dennoch: "Wenn eine Rotkreuzgesellschaft Hilfe anfordert, stellen wir die." Spenden dafür sind seit dem Erdbeben vor einer Woche schon recht umfangreich eingegangen: Insgesamt 2,9 Millionen Euro, das ist nach Angaben von Svenja Koch ungefähr so viel wie in der ersten Woche nach dem Beben in Haiti und mehr als nach der Überschwemmung in Pakistan. Ein japanisches Komitee werde darüber beraten, welche Gelder wohin fließen sollen. Dabei denkt das DRK neben der Soforthilfe auch an den langfristigen Wiederaufbau und die Katastrophenvorsorge: "Nach dem Erdbeben ist vor dem Erdbeben", sagt Svenja Koch.

Decken, Suppe und Toilettenpapier

Die "Aktion Deutschland hilft" arbeitet ebenfalls mit Partnern vor Ort zusammen. Laut der Internetseite der Organisation hat beispielsweise CARE Japan einen Konvoi mit drei Fahrzeugen in den Norden des Landes entstand. Die Helfer verteilen Toilettenpapier, Wasser, Atemmasken, Hygieneartikel, Kekse, Obst und Reisportionen an ungefähr 900 Menschen. Die Organisation ADRA bietet in Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden in der Präfektur Miyagi Notunterkünfte an und verteilt Suppe an bis zu 1.000 Menschen. 

Fünf Lastwagen von World Vision sind laut "Aktion Deutschland hilft" unterwegs, um Decken, Wasser, Sanitär- und Hygienemittel an etwa 6.000 Personen in der Stadt Tome zu verteilen. Außerdem wolle sich die Organisation speziell um traumatisierte und verwaiste Kinder kümmern. World Vision ist nach eigenen Angaben seit über 20 Jahren in Japan aktiv. "Als Kinderhilfswerk möchte World Vision einen Beitrag zur psychischen Stabilisierung der Kinder und zur Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse leisten", schreibt das Hilfswerk auf seiner Internetseite. Die Helfer wollen daher kinderfreundliche Räume in den Notunterkünften einrichten, in denen die Kinder sich von ihren schlimmen Erfahrungen erholen können.

Die katholische Hilfsorganisation Caritas schickt keine deutschen Helfer in das Katastrophengebiet. Japan habe keine Helfer angefordert, erklärte Achim Reinke von Caritas International in einem Interview mit "domradio". Am Wochenende hätten eingeflogene deutsche Helfer unverrichteter Dinge wieder abreisen müssen. So unterstützt Caritas International jetzt die japanische Caritas. Ein großes Problem dabei ist laut Reinke die zerstörte Infrastruktur: Die Mitarbeiter in Japan könnten schlecht miteinander telefonieren.

Auf der Internetseite der Organisation bedankt sich der Direktor der Caritas Japan, Isao Tadokoro, für die "überwältigende und spontane Hilfsbereitschaft" aus der ganzen Welt. Er weist allerdings darauf hin, dass die kleine Caritas in Japan keine Katastrophenhilfsorgansiation sei. Dennoch habe die Organisation jetzt alle Kräfte gebündelt, um Soforthilfe zu leisten: Die Mitarbeiter der Caritas wollten die Einsatzkräfte der japanischen Armee unterstützen. 

Auf eigene Faust in die Nähe des Atomkraftwerkes

Die Organisation ChildFund Deutschland ist ziemlich forsch vorgegangen und hat auf eigene Faust schon am Mittwoch einen ersten Hilfstransport losgeschickt: Ein Lastwagen voller Hilfsgüter wie Milchpulver, Nudeln, Gesichtsmasken, Verbandszeug, Medikamente und Gasflaschen erreichte die betroffenen Menschen im Katastrophengebiet. "Das hat sehr gut geklappt, obwohl die Infrastruktur ganz schwierig ist", berichtet die Pressesprecherin der Organisation, Antje Becker.

Sie habe großen Respekt vor ihren Kollegen in Japan, die sich in die Nähe des havarierten Atomkraftwerkes getraut haben - und von der Regierung prompt gebeten wurden, so eine Aktion nicht noch einmal zu unternehmen. ChildFund kümmert sich besonders um traumatisierte Kinder und Jugendliche und plant, einen Ratgeber für Eltern. Lehrer und Hilfskräfte herauszugeben. Doch im Moment habe die Nothilfe Vorrang, erklärt Antje Becker. 

Die Diakonie Katastrophenhilfe möchte möglichst flexibel agieren können und bittet Spender deshalb, nicht ausdrücklich "Japan" auf die Überweisungen zu schreiben, sondern in den allgemeinen Katastrophenfonds einzuzahlen. "Bitte vergesst die anderen Krisenregionen der Welt nicht", so der Appell von Pressesprecher Rainer Lang. Sollte Japan weniger Hilfe anfordern als erwartet, möchte die Diakonie Katastrophenhilfe das Geld umleiten können - das geht nur, wenn nicht zweckgebunden gespendet wird.

Lutherische Kirche in Japan: "Uns blutet das Herz"

Auf dem zentralen Konto der Diakonie Katastrophenhilfe seien allein am Donnerstag 100.000 Euro eingegangen, berichtet Rainer Lang. Die Deutschen sind offenbar hilfsbereit, obwohl man hierzulande (noch) nicht direkt erkennen kann, was in Japan mit dem Geld passiert. Die Diakonie entsendet keine eigenen Teams nach Japan, sondern unterstützt die Kräfte vor Ort. Das sind in diesem Fall lokale lutherische Kirchengemeinden - 32.000 der insgesamt 127 Millionen Japaner sind lutherische Protestanten.

Deren Kirchenpräsident Pfarrer Sumiyuki Watanabe schätzt die Möglichkeiten allerdings nicht sehr optimistisch ein: "Unser momentanes Problem bei der Hilfeleistung liegt in der Gefahr der nuklearen Strahlung sowie der zerstörten Infrastruktur, die den Zugang in die Region verhindert." Straßen, Gleise, Flughäfen und Seehäfen seien nicht benutzbar. Nächste Woche will die lutherische Kirche zwei bis drei Kundschafter in die zerstörten Gebiete entsenden, um zu klären, wie den Menschen am besten geholfen werden kann. Der Lutherische Weltbund wird über seine Abteilung für Weltdienst (AWD) einen Nothilfeberater entsenden, der den Katastrophenstab der lutherischen Kirchen in Japan unterstützen soll.

"Die Kirchen sind klein", gibt Rainer Lang zu - und die Probleme sind groß. Gebraucht werden Trinkwasser, Nahrung, Sprit und Wärme - auch seelische Wärme in Form von Trost und Zuspruch, das weiß Rainer Lang aus seiner eigenen Erfahrung nach dem Tsunami in Sri Lanka. "Die Menschen sind apathisch. So ein Tsunami hinterlässt tiefe seelische Spuren. Aber im Moment kann man diese Hilfe noch nicht organisieren", bedauert der Diakonie-Sprecher. Auch der Präsident der Japanisch-Lutherischen Kirche, Pfarrer Yutaka Kumei schreibt: "Angesichts der massiven Zerstörungen durch das Tohoku-Kanto-Erdbeben blutet uns das Herz. Im Blick auf das Ausmaß der Verwüstung bleibt uns nur, zu unserem Herrn um Sein Erbarmen zu beten."


 Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.