Philippinen: Kirche kämpft gegen Kondom und Pille

Philippinen: Kirche kämpft gegen Kondom und Pille
Die Regierung will ein neues Gesetz, dass Verhütungsmittel ermöglicht und Sexualaufklärung in Schulen einführt. Die katholische Kirche läuft Sturm.
04.03.2011
Von John Grafilo und Christiane Oelrich

Ein Kampf um Pille und Kondom tobt auf den Philippinen. Die Regierung des übervölkerten Inselstaates will ein Gesetz durchboxen, das Sexualaufklärung in Schulen einführt, Erwachsenenbildung über Verhütungsmittel ermöglichst und die kostenlose Verteilung von Anti-Baby-Pillen und Kondomen für Arme vorsieht. In Kürze soll es eine Generaldebatte im Parlament geben. Die katholische Kirche läuft Sturm. Sie hat in dem überwiegend katholischen Land eine Machtstellung wie kaum anderswo in der Welt.

"Tödlich für das menschliche Leben"

"Das ist kein Kampf zwischen Kirche und Regierung", donnert Pfarrer Melvon Castro in der San-Sebastian-Kathedrale von der Kanzel. "Dies ist ein Kampf zwischen Gut und Böse!" Die Gemeindemitglieder in Tarlac City, rund 100 Kilometer nördlich von Manila, nicken. Im ganzen Land malen Priester das Gespenst eines Sündenpfuhls an die Wand. In Predigten warnen sie vor dem Verfall der Sitten. Mancher Oberhirte hat Befürwortern des Gesetzes mit dem Kirchenausschluss gedroht.

"Dieses Gesetz verlangt von uns eine moralische Entscheidung - für das Leben oder für den Tod", heißt es in der Stellungnahme der Bischofskonferenz. "Künstliche Verhütungsmethoden sind tödlich für das menschliche Leben... Außerdem haben Wissenschaftler festgestellt, dass Verhütungsmittel Krebs erzeugen können."

Die Philippinen sind in Moralfragen ein sehr konservatives Land. 83 Prozent der Einwohner sind Katholiken, zwei Drittel gehen nach Umfragen jeden Sonntag in die Kirche. Abtreibung ist verboten, Scheidung auch. Paradoxerweise gelten die Philippinen gleichzeitig als Traumziel für Sextouristen. Auf der Insel Cebu werden tausende minderjährige Mädchen als Prostituierte missbraucht. Der Menschenhandel ist ein Riesenproblem.

Dessen ungeachtet ist die Kirche eine wichtige gesellschaftliche Instanz. Der Aufstand gegen Diktator Ferdinand Marcos 1986, die Revolte gegen den als sehr korrupt geltenden Präsidenten Joseph Estrada 2001 - in beiden Fällen setzte sich das Volk erst in Marsch, nachdem der Erzbischof von Manila sein Plazet gegeben hatte.

Extra-Punkte bei Auflehnung in sozialen Netzwerken

Auch jetzt macht die Kirche ihren Einfluss geltend. Eine katholische Universität gibt ihren Studenten Extra-Punkte, wenn sie sich in Netzwerken wie Facebook lautstark gegen das Gesetz aussprechen. In einem Dorf südlich von Manila verlangt die Apotheke plötzlich Rezepte für Anti-Baby-Pillen und Kondome - obwohl das illegal ist.

Auch Esmeraldo Ilem bekam den langen Arm der Kirche schon zu spüren. Der Arzt leitet die Abteilung für Familienplanung am staatlichen Jose-Fabella-Memorial-Krankenhaus. Im vergangenen Jahr bot sein mobiles Medizinerteam Frauen mit vielen Kindern auf dem Land eine Sterilisation an. 100 hatten sich angemeldet, doch am Tag der Operation kamen nur drei. "Wir fanden heraus, dass der Priester die Frauen ausgeschimpft hatte. So blieben sie zu Hause", sagt er.

"Das Gesetz gibt uns Frauen Wahlmöglichkeiten"

Wer in der Stadt wohnt und Geld hat, kann sich Anti-Baby-Pillen und Kondome besorgen. Auf dem Land sieht das anders aus, und auch in den Slums, wo schon zwölfjährige Mädchen schwanger werden. "Wenn das Gesetz durchkommt, werden die Mädchen früh aufgeklärt und wüssten, worauf es ankommt", sagte Emma Cruz, die sich mit einer Hilfsorganisation um die Ärmsten kümmert. Sie hat selbst sieben Kinder - vier mehr, als sie eigentlich geplant hatte. "Das Gesetz gibt uns Frauen Wahlmöglichkeiten. Die Kirche sollte uns nicht vorschreiben, was sie meint, was für uns richtig ist."

Die Philippinen platzen aus allen Nähten. Der Inselstaat ist so groß wie Deutschland ohne Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, hat aber schon 94 Millionen Einwohner. Er zählt damit zu den 15 bevölkerungsreichsten Ländern der Welt. Und ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

dpa