Nach erneuten blutigen Krawallen in Tunesien ist Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi am Sonntag zurückgetreten. Ghannouchi zog damit die Konsequenzen aus den anhaltenden Protesten gegen ihn mit mindestens fünf Toten und vielen Verletzten. Der 69-Jährige gab seinen Schritt auf einer Pressekonferenz in Tunis bekannt und betonte: "Ich bin nicht einer, der Entscheidungen trifft, die zu Opfern führen können. Ich bin kein Unterdrücker und werde es auch niemals sein." Als Nachfolger ernannte Übergangspräsident Foued Mebazaa den Juristen Béji Caïd Essebsi, einen früheren Minister.
Ghannouchi wird als Teil des alten Regimes wahrgenommen
Der Technokrat Ghannouchi war nach der Flucht des früheren autoritären Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali am 17. Januar Chef der Übergangsregierung geworden, die das Land innerhalb von sechs Monaten auf Neuwahlen vorbereiten soll. Die einflussreiche Gewerkschaft UGTT hatte stets signalisiert, dass sie ihn nicht unterstützen, aber immerhin tolerieren würde. Ghannouchi hatte bereits unter Ben Ali mehrere einflussreiche Posten inne. Tunesien war das erste nordafrikanische Land, in dem der Staatschef nach Massenprotesten abtreten musste. Ben Ali floh nach Saudi-Arabien.
Bei den schweren Straßenkämpfen am Wochenende hatte es in der Hauptstadt Tunis nach Angaben des Innenministeriums mindestens fünf Tote sowie zahlreiche Verletzte gegeben. Der Proteste richtete sich gegen die Übergangsregierung. Sie gilt nach Ansicht vieler Tunesier mittlerweile als kompromittiert. Vor allem Ghannouchi wurde dabei immer wieder zur Zielscheibe des Unmuts der meist jugendlichen Demonstranten.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Asthon begrüßte den Rücktritt von Ministerpräsident Ghannouchi. "Ich hoffe, dass diese Entscheidung dazu beiträgt, weitere Spannungen zu vermeiden, und dass die Übergangsphase friedlich weitergeht." Die EU werde Tunesien bei den anstehenden Wahlen im Juli unterstützen.
Ghannouchi selbst sprach mit Blick auf die schweren Krawallevon einem "Komplott gegen die Revolution des tunesischen Volkes". Die schweigende Mehrheit der Tunesier habe es in der Hand, diesem Komplott ein Ende zu setzen.
Exodus aus Libyen verschärft angespannte Lage
Die angespannte Lage im Lande wird zur Zeit verschärft durch den Exodus aus Libyen. Das Rote Kreuz in Tunesien warnte bereits vor einer humanitären Katastrophe. Seit dem 20. Februar seien mindestens 40.000 Menschen vor den Kämpfen im Nachbarland geflohen. Die libyschen Grenzbeamten am wichtigsten Übergang Ras Jedir hätten ihre Posten mittlerweile verlassen. Allein am Samstag seien dort 10.000 Menschen - überwiegend Ägypter - nach Tunesien geflohen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ging am Sonntag bereits von 50.000 Flüchtlingen in Tunesien aus.