Maulana Idris Haqqani ist Chef der Madrasa Rahmania in der pakistanischen Garnisonsstadt Rawalpindi, unter seiner Ägide studieren 180 Jungen den Koran. Der 40-Jährige hält die USA für "die Wurzel allen Übels". Wenn er vom Terrornetz Al-Kaida und von den radikal-islamischen Taliban spricht, sagt er: "Wir sind Menschen, die den Frieden lieben." Derzeit engagiert sich Haqqani besonders dafür, einen 64-Jährigen an den Galgen zu bringen.
Haqqani wirft Raja Mohammad Asghar vor, von sich behauptet zu haben, er sei der Prophet Mohammed. Damit habe Asghar den Namen des Propheten entehrt und sich der Blasphemie in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht. Das pakistanische Blasphemie-Gesetz sieht dafür als Höchststrafe den Tod vor. Asghar sitzt seit vergangenem September im Gefängnis.
Blasphemie-Gesetz wird missbraucht
Im Westen sorgt Pakistans strenges Blasphemie-Gesetz vor allem für Schlagzeilen, wenn Angehörige der christlichen Minderheit unter fadenscheinigen Gründen angeklagt werden. Weitaus häufiger sind allerdings Muslime betroffen, was im Ausland kaum Beachtung findet. Viele der Fälle wirken aus westlicher Sicht absurd: So wurde vor kurzem ein Schüler in Karachi festgenommen, weil er bei einer Klassenarbeit blasphemische Wörter geschrieben haben soll.
Der Fall Asghar wiederum zeigt, wie leicht das Gesetz missbraucht werden kann. Wer in Pakistan in Kenntnis der Gesetzeslage von sich behauptet, er sei der Prophet, der muss lebensmüde sein - oder geistig verwirrt. In letzterem Fall sei das Gesetz nicht anzuwenden, räumt Haqqani ein. Er glaube aber nicht, dass Asghar derartige Probleme habe. Woher dieser Glaube rührt, lässt er offen.
Haqqani sagt, Asghar habe sich nicht nur vor Zeugen als Prophet Mohammed ausgegeben, es gebe auch einen schriftlichen Beweis: Einen Brief, den Asghar an den Ministerpräsidenten der Provinz Punjab geschickt hat und in dem er - so behauptet Haqqani - schreibt, er sei der Prophet. Allerdings ist dieser Brief vom vergangenen September auf Englisch, eine Sprache, der Haqqani nicht mächtig ist. Einen Übersetzer hat er nicht bemüht.
Land-Mafia will sich Asghars Häuser "unter den Nagel reißen"
In dem Brief an Ministerpräsident Shabaz Sharif, der Teil der Anzeige ist und der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, schreibt Asghar mitnichten davon, dass er der Prophet sei. Stattdessen steht dort, er werde "in den nächsten drei Jahren König Pakistans" werden. Der Inhalt des Briefs weckt erhebliche Zweifel am Geisteszustand Asghars. "Ich habe eine stromproduzierende Maschine erfunden, die weder Luft, Sonne oder Treibstoff benötigt und deren Betrieb nichts kostet und die unbegrenzt Energie produzieren kann", schreibt er.
Der Anwalt Ansar Nawaz Mirza vertritt Asghar nicht in dem Blasphemie-Fall, sondern in einem zivilrechtlichen Streit. Mirza sagt: "Meiner persönlichen Meinung nach ist Raja Asghar definitiv nicht bei bester geistiger Gesundheit." Er habe Asghars Frau mehrfach erfolglos gebeten, ihren Ehemann einem Psychiater vorzustellen. Sie sage, die Verwirrtheit komme eben mit dem Alter.
Mirza vermutet einen ganz und gar nicht religiösen Grund hinter der Blasphemie-Anzeige: Erstattet habe sie Malik Hafiz Awan, der sich mit Asghar um eine bedeutende Summe Geld gestritten habe, sagt der Anwalt. Awan sei ein Lokalpolitiker der Muslim-Liga (Nawaz) mit Einfluss auf die Polizei. Asghar besitze sechs Häuser in Rawalpindi, die mindestens 50 Millionen Rupien (knapp 440.000 Euro) wert seien.
"Eine Verschwörung des Westens"
"Wir haben Informationen, dass nach der Anzeige eine mächtige Land-Mafia aktiv geworden ist und mit Hilfe lokaler Geistlicher eine Bewegung gegen Asghar begonnen hat", sagt der Anwalt. "Diese Mafia, die jeder in der Nachbarschaft kennt, aber bei der sich niemand traut, mit dem Finger auf sie zu zeigen, will, dass Asghar gehängt oder lebenslang hinter Gitter gesteckt wird." Die Mafia wolle sich Asghars Häuser "unter den Nagel reißen".
Mirza meint: "Das ist ein erstklassiges Beispiel dafür, wie Menschen das Blasphemie-Gesetz missbrauchen, um mit anderen eine Rechnung zu begleichen." Hoffen lassen könnte in dem Fall, dass Asghar nach Angaben des Anwalts neben der pakistanischen auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt.
Maulana Haqqani sieht denn auch schon eine Verschwörung des Westens aufziehen. "Die Todesstrafe (für Asghar) ist für Frieden unerlässlich", warnt der Geistliche. Denn sollte der Angeklagte unter internationalem Druck freigelassen werden, "dann wird es Blutvergießen auf den Straßen geben".